Weideschlachtung und hofnahe Schlachtung
Letzte Aktualisierung: 10. Oktober 2025
Eine Schlachtung in gewohnter Umgebung auf dem Haltungsbetrieb erspart den Tieren viel Stress und verbessert zudem die Fleischqualität.
Quelle: IG Schlachtung mit Achtung
In Kürze
- Weide- und hofnahe Schlachtungen reduzieren Tierstress deutlich und verbessern die Fleischqualität.
- Bei der Weideschlachtung wird das Tier per Kugelschuss direkt auf der Weide betäubt/getötet.
- Seit 2021 erlaubt das EU-Recht hofnahe Schlachtungen auch für Stalltiere unter tierärztlicher Aufsicht.
- Mobile Schlachteinheiten sichern die Hygiene; vollmobile Anlagen werden vor allem bei Geflügel genutzt.
- Die Methode stärkt regionale Wertschöpfung und bedient die Nachfrage nach tiergerechtem Fleisch.
Der Transport in den Schlachthof – nicht selten über weite Distanzen – verursacht bei Tieren Stress: Das Einfangen und Separieren von der Herde, das Verladen und Entladen, die fremden Menschen und Artgenossen, die unbekannten Gerüche und Geräusche. Alles das löst bei den Tieren Angst aus.
Ganz besonders groß ist der Stress bei Tieren, die viel Zeit im Freiland verbracht haben und daher den Kontakt zu Menschen und räumliche Enge nicht gewohnt sind. So ist dies zum Beispiel der Fall bei Rindern aus extensiver Mutterkuhhaltung. Würde man die Tiere direkt vor Ort, in gewohnter Umgebung auf dem Hof oder auf der Weide schlachten, bliebe ihnen viel Stress erspart.
Schlachten auf dem Herkunftsbetrieb: lange Zeit nicht erlaubt
Was viele überraschen dürfte: Trotz der vielen Vorzüge war die hofnahe Schlachtung auf dem Herkunftsbetrieb bis in die 2010er-Jahre hinein rechtlich verboten, beziehungsweise nur in Ausnahmefällen zulässig. Nämlich nur dann, wenn das Tier wegen eines Unfalls nicht mehr zum Schlachthof transportiert werden konnte (Notschlachtung) oder wenn es ausschließlich für den privaten Haushalt des Erzeugerbetriebs geschlachtet wurde (Hausschlachtung). Eine weitere Ausnahme gab es noch für in Gehegen gehaltene Wildtiere. Alle anderen Tiere mussten lebend in eine zugelassene Schlachtstätte transportiert und dort geschlachtet werden. Hauptsächlicher Grund dafür waren die hygienischen Bedingungen, die auf einem Schlachthof besser einzuhalten sind als in einem Stall oder auf der Weide.
2011 hat der Gesetzgeber diese Regelung ein Stück weit gelockert. Als Alternative zur herkömmlichen Schlachtung im Schlachtbetrieb wurde damals in Deutschland die sogenannte Weideschlachtung erlaubt – allerdings nur für Rinder, die ganzjährig im Freien leben.
Tötung des Tiers per Kugelschuss direkt auf der Weide
Bei der Weideschlachtung wird das Rind unmittelbar auf der Weide, auf der es gelebt hat, betäubt und getötet. Direkt im Anschluss wird es in einen anerkannten Schlachtbetrieb gebracht, wo die weiteren Schlachtschritte (Enthäuten und Ausnehmen) stattfinden und der Körper grob zerlegt wird. Prinzipiell müsste man daher also eher von Weidetötung als von Weideschlachtung sprechen.
Quelle: Dr. Veronika Ibrahim
Bei der Weideschlachtung ist die Betäubung per Kugelschuss erlaubt. Die Tiere werden dabei in gewohnter Umgebung auf der Weide – während sie fressen oder ruhen – durch einen Gewehrschuss in den Kopf betäubt und innerhalb kürzester Zeit durch Entbluten fachgerecht getötet. Meist ist aber auch schon der Kugelschuss tödlich. Die Person, die den Weideschuss ausführt, muss über einen entsprechenden tierschutzrechtlichen Sachkundenachweis und eine waffenrechtliche Schießerlaubnis verfügen.
Die Erfahrungen zeigen, dass die Betäubung beziehungsweise Tötung für die Weiderinder so überraschend kommt, dass sie vorher keinerlei Stress erfahren. Und auch die Herdenmitglieder reagieren nur minimal bis gar nicht auf den Schuss der schallgedämpften Langwaffe.
Da die ganzjährige Freilandhaltung von Rindern in Deutschland sehr selten ist und zudem für jeden Schlachtvorgang eine Genehmigung bei der zuständigen Behörde eingeholt werden musste, kam die Weideschlachtung nur selten zur Anwendung.
Seit 2021 auch hofnahe Schlachtungen von Stalltieren zulässig
Für Rinder und andere Nutztiere, die nicht ganzjährig im Freien leben, galt auch nach 2011 noch, dass sie lebend in einen Schlachthof gebracht werden müssen. Es dauerte weitere zehn Jahre, bis durch eine Änderung im EU-Recht ab 2021 hofnahe Schlachtungen auch für diese Rinder und Schweine möglich wurden. Seit Mai 2024 ist auch die teilmobile Schlachtung von Schafen und Ziegen erlaubt.
Das neue EU-Recht sieht vor, dass bis zu drei Rinder, drei Pferde, sechs Schweine oder neun Schafe oder Ziegen pro Schlachtvorgang im Herkunftsbetrieb geschlachtet werden. Rinder werden dabei meist per Bolzenschuss am Hof oder im Stall betäubt. Damit der Bolzenschuss sicher trifft, müssen die Tiere dafür in entsprechenden Vorrichtungen fixiert werden. Ganzjährig freilebende Rinder können auch nach neuem EU-Recht weiterhin ohne Fixierung per Kugelschuss betäubt werden. Bei Schweinen wird überwiegend die Elektrobetäubung angewandt, nur im Ausnahmefall ist der Bolzenschuss zulässig.
Nach der Betäubung muss das Tier dann schnellstmöglich durch Entbluten getötet werden. Die Person, die die Betäubung und das Entbluten des Tiers vornimmt, muss dafür über einen entsprechenden Sachkundenachweis verfügen. In der Regel übernehmen diese Arbeiten daher anerkannte Schlachtunternehmen. Während des gesamten Vorgangs der Tötung und des Entblutens muss ein Amtstierarzt zugegen sein, der den Prozess überwacht. Dieses Vorgehen ist auch in jedem Schlachthof üblich.
Im Januar 2023 teilte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, für Ernährung und Heimat (BMELLEH) mit, dass es den Ausbau von Weide- und Hofschlachtungen im Rahmen eines Programms zur Innovationsförderung unterstützen will.
In der mobilen Einheit zur Schlachtstätte
Um die geltenden EU-Hygienebestimmungen einhalten zu können, ist für jede dieser hofnahen Schlachtungen die Verwendung einer mobilen Einheit vorgeschrieben. Dabei handelt es sich um speziell für diesen Zweck konzipierte und zugelassene Anhänger, mit denen das getötete Tier hygienisch einwandfrei zur weiteren Verarbeitung in die nächstgelegene Schlachtstätte transportiert werden kann. Sehr häufig werden die mobilen Einheiten mit entsprechenden Vorrichtungen auch zum Entbluten der Tiere verwendet.
Quelle: IG Schlachtung mit Achtung
Vollmobile Schlachtungen – vor allem bei Geflügel
Neben dieser als "teilmobil" bezeichneten Schlachtung, bei der das getötete Tier mit der mobilen Einheit zum Schlachtbetrieb transportiert wird, gibt es noch die vollmobile Schlachtung. Bei dieser Lösung kommt ein LKW oder Anhänger auf den Herkunftsbetrieb, der derart ausgestattet ist, dass darin der komplette Schlachtprozesses durchgeführt werden kann – also vom Betäuben über das Töten und Entbluten bis hin zum Ausnehmen der Tiere und die Grobzerlegung in Teilstücke. Eine solche vollmobile Lösung ist für die Schlachtung von Rindern und Schweinen heute noch selten, bei Geflügel aber zunehmend häufiger anzutreffen.
Bis zu 10.000 Hühner oder Gänse dürfen pro Jahr in einer einfachen vollmobilen Schlachtanlage verarbeitet werden. Dann darf das Fleisch aber ausschließlich ab Hof oder über Marktstände an Endkundinnen und Endkunden verkauft werden. Wer größere Mengen schlachten und das Fleisch auch an den Einzelhandel verkaufen will, muss die Schlachtung in einem Schlachtmobil durchführen (lassen), das über eine gesonderte EU-Zulassung verfügt. In der Praxis betreiben meist zugelassene Schlachtunternehmen vollmobile Schlachthöfe und bieten die Schlachtung darin als Dienstleistung an.
Bessere Fleischqualität
Neben der Stressminderung für die Tiere gibt es noch einen anderen wichtigen Grund für Landwirtinnen und Landwirte, ihre Tiere hofnah zu schlachten. So wirkt sich die stressarme Schlachtmethode ohne lange Transportwege auch positiv auf die Fleischqualität aus. Denn, erleiden die Tiere Stress vor der Schlachtung, schütten sie große Mengen Adrenalin aus. Dieses Stresshormon löst eine Reaktion aus, bei der die Energiespeicher in den Muskeln – Glykogen genannt – schnell aufgebraucht werden.
Das Problem ist, dass dieses Glykogen nach der Schlachtung für die gewünschte Säuerung des Fleisches nicht mehr zur Verfügung steht. Die Folge ist ein hoher pH-Wert im Fleisch, der zu einer Abnahme der Fleischqualität führt. In einem stressarmen Schlachtungsprozess hingegen bleibt der Glykogenabbau begrenzt, da weniger Adrenalin ausgeschüttet wird. Das führt zu Fleisch von besserer Qualität, das zarter, saftiger und geschmacklich angenehmer ist.
Verbesserte Wertschöpfung in der Region
Für handwerkliche Metzgereien und landwirtschaftliche Direktvermarkter entsteht durch die hofnahe Schlachtung eine neue Vermarktungschance. Das qualitativ höherwertige Fleisch der stressarm geschlachteten Tiere kann zu einem angemessenen Preis an eine entsprechende Zielgruppe vermarktet werden. Für immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher wird das Wissen um einen möglichst tiergerechten und ethisch vertretbaren Erzeugungs- und Schlachtprozess – neben der Qualität – zu einem bedeutenden Kaufkriterium für Fleisch. Viele sind dafür bereit, auch etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Auf diese Weise bringt die hofnahe Schlachtung also auch wieder einen Teil der Wertschöpfung zurück in die Region.
Wo findet man Fleisch aus hofnaher Schlachtung?
Bislang gibt es noch kein offizielles anerkanntes Label, das Fleisch aus Weideschlachtung oder hofnaher Schlachtung kennzeichnet. Vereinzelt gibt es jedoch Online-Plattformen, auf denen Landwirtschaftsbetriebe und Vermarkter Produkte von entsprechend geschlachteten Tieren anbieten, wie zum Beispiel die der Interessengemeinschaft Schlachtung mit Achtung. Weitere Plattformen findet man über Suchmaschinen – zum Beispiel mit den Stichworten "hofnahe" und "stressfrei" in Verbindung mit dem Wort "Schlachtung". Rindfleisch aus Weideschlachtung findet man sehr gut unter gleichnamigen Stichwort.
Weitere Informationen
BMLEH: Ausbau von Weide- und Hofschlachtungen
Interessengemeinschaft Schlachtung mit Achtung
Oekolandbau.de: Stressfreie Schlachtung auf dem Herkunftsbetrieb – (wie) ist das möglich?
