Vegane Lebensmittel – Eine Chance für die Landwirtschaft?
Der Markt für Fleischersatzprodukte wächst. Als Rohstoff werden dafür auch Hülsenfrüchte aus Deutschland benötigt. Können die Betriebe davon profitieren?


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Ob Schnitzel, Hack oder Salami, fast alle klassischen Fleischprodukte sind inzwischen auch als vegane Variante mit rein pflanzlichen Zutaten verfügbar. Im direkten Vergleich handelt es sich zwar immer noch um Nischenprodukte, der Markt für diese sogenannten Fleischersatzprodukte hat sich in den letzten Jahren aber rasant entwickelt. So verdoppelte sich der Umsatz für diese Produkte innerhalb von zwei Jahren auf 414 Millionen Euro im Jahr 2021. Für 2022 rechnen Fachleute mit einem weiteren Umsatzanstieg auf 480 Millionen Euro.
Für eine weiter steigende Nachfrage nach Fleischersatzprodukten spricht der hohe Anteil von Veganern und Vegetariern unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 15 und 29 Jahren. Immerhin 13 Prozent dieser Altersgruppe ernährt sich ausschließlich oder überwiegend mit pflanzlichen Lebensmitteln. Damit liegt ihr Anteil hier etwa doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung. Gleichzeitig ist der Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Während jeder Deutsche im Schnitt 2018 noch 61,1 Kilogramm Fleisch verzehrte, waren es 2021 nur noch 55 Kilogramm.
Hülsenfrüchte als heimischer Rohstoff


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Basis von Fleischersatzprodukten sind vor allem eiweißreiche Hülsenfrüchte wie Erbse, Ackerbohne, Sojabohne und Lupine. Bis auf die Sojabohne, die wärmere Standorte benötigt, können diese Hülsenfrüchte fast überall in Deutschland angebaut werden. Besonders anspruchslos sind Lupinen, die auch auf schlechteren Böden gedeihen und mit wenig Niederschlag auskommen.
Für die Umwelt bietet der Anbau von Hülsenfrüchten Vorteile. So sind die Kulturen in der Lage, Stickstoff als wichtigsten Nährstoff aus der Luft zu binden. Deshalb benötigen sie keinen synthetischen Mineraldünger, der mit hohem Energieaufwand hergestellt werden muss.
Gute Klimabilanz für Fleischersatzprodukte
Laut einer Studie des Umweltbundesamtes (UBA) schneiden Fleischersatzprodukte auf Basis von Hülsenfrüchten zudem bei der Klimabilanz deutlich besser ab als Fleisch. Während zum Beispiel bei der Erzeugung von einem Kilogramm Fleischersatz auf Sojabasis etwa 2,8 Kilogramm CO2-Äquivalente entstehen, werden bei der gleichen Menge Geflügelfleisch 4,3 Kilogramm frei, bei Rindfleisch sind es sogar über 30 Kilogramm CO2-Äquivalente.
Wie lukrativ ist der Anbau von Hülsenfrüchten für landwirtschaftliche Betriebe?


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Wie aber fällt die wirtschaftliche Bilanz aus Sicht der Betriebe aus? Grundsätzlich kann der Anbau von Eiweißpflanzen für Betriebe durchaus lohnend sein. Erhebungen des Netzwerks DemoNet Erbse/Bohne zeigen, dass mit Erbsen und Ackerbohnen zum Teil höhere Gewinne erzielt werden können als mit den Standardkulturen Winterweizen und Raps. Das gilt insbesondere für Bio-Ware. Allerdings hängt die Höhe des Gewinns stark von den erzielten Erträgen und den Auszahlungspreisen ab. Zudem kommt es bei Eiweißpflanzen immer wieder zu größeren Ertragsschwankungen, weil die Kulturen sehr empfindlich auf stärkeren Schädlingsbefall oder eine ungünstige Witterung reagieren. Das macht den Anbau für Betriebe riskant.
Lebensmittelverarbeiter stellen hohe Qualitätsansprüche
Hinzu kommt, dass Lebensmittelverarbeiter hohe Anforderungen an die Qualität der angelieferten Ware stellen. So dürfen die Körner zum Beispiel keine Flecken oder Risse haben und müssen einen Mindestproteingehalt aufweisen. Das erfordert einen größeren Aufwand beim Anbau und bei der Aufbereitung der Ernte. Dafür erhalten Betriebe für Speiseware in der Regel auch deutlich höhere Preise als bei einer Verwertung als Futtermittel.
Entwicklung der Anbauflächen für Hülsenfrüchte


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Die Anbaufläche von Hülsenfrüchten hat sich in den letzten zehn Jahren nahezu verdoppelt und lag im Jahr 2021 bei knapp 245.000 Hektar.
Diese Entwicklung beruht jedoch vor allem auf einer stärkeren politischen Förderung dieser Kulturen und der intensivierten Forschung zur Optimierung des Anbaus im Zuge der sogenannten Eiweißpflanzenstrategie des Bundeslandwirtschaftsministeriums.
Geänderte Ernährungsgewohnheiten spielen hier eine untergeordnete Rolle, denn zurzeit werden nicht einmal zehn Prozent der geernteten Hülsenfrüchte für die Herstellung von Nahrungsmitteln genutzt. Das heißt auch: Eine weiter steigende Nachfrage nach heimischen Rohstoffen für Fleischersatzprodukte ließe sich auch ohne zusätzliche Anbauflächen bereits durch eine Steigerung dieses Anteils bedienen.
Fleisch bleibt wichtige Einkommensquelle für Betriebe


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Doch ist die Erzeugung von Fleisch für viele Betriebe nach wie vor die attraktivere Einkommensquelle. Daher nutzen sie den weitaus größten Teil der heimischen Hülsenfrüchte als wertvolle Futterkomponente für Schweine, Geflügel und Rinder. Knapp 30 Prozent der gesamten Betriebserlöse in der Landwirtschaft stammen aus der Fleischerzeugung.
Der Handel hat im Jahr 2020 in Deutschland Fleisch- und Fleischerzeugnisse im Wert von 38,6 Milliarden Euro umgesetzt. Das ist etwa das Hundertfache dessen, was im gleichen Jahr mit Fleischersatzprodukten erzielt wurde.
Fazit
Durch die wachsende Nachfrage nach Fleischersatzprodukten wird der Bedarf an Ackerbohnen, Erbsen und anderen Kulturen steigen. Das kommt auch der Landwirtschaft zugute. Denn grundsätzlich ist der Anbau von Hülsenfrüchten bei guten Erträgen und entsprechenden Qualitäten lukrativ. Allerdings wird die Fleischerzeugung auf absehbare Zeit für viele Betriebe eine zentrale Einkommensquelle bleiben. Denn die Erlöse für Fleischersatzprodukte sind trotz des starken Wachstums noch sehr klein im Vergleich zum Volumen bei Fleischprodukten. Zudem ist der Anbau von Hülsenfrüchten für den Lebensmittelbereich anspruchsvoll und häufig mit Risiken verbunden. Deshalb wird wahrscheinlich vorerst nur eine überschaubare Zahl an Betrieben verstärkt auf den Anbau setzen und vom Boom der Fleischersatzprodukte profitieren.
Letzte Aktualisierung: 31. Mai 2022
Weitere Informationen
Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL): Marktrecherche Sojabohnen