Springe zur Hauptnavigation Springe zum Inhalt

Wieso in Nord- und Ostsee weniger Fisch gefangen wird

Die deutsche Fischerei wird zunehmend nachhaltiger und steht doch unter großem Veränderungsdruck. Der weitere Abbau von Fangkapazitäten scheint unvermeidlich.

Ein Mann auf einem Fischerboot schlachtet Fisch. Im Hintergrund fliegen Möwen.
Nach dem Einholen der Netze sortiert der Fischer den Fang und schlachtet die Fische.
Quelle: Claus Ubl

Fisch ist ein hochwertiges Lebensmittel. Eine vollständige Versorgung des heimischen Marktes mit eigenen Fängen aus der Nord- und Ostsee ist jedoch unmöglich, weil die Anlandungsmengen viel zu gering sind. 92.460 Tonnen Fisch wurden von der Deutschen Hochsee- und Küstenfischerei in 2022 in Nord- und Ostsee gefangen, mehr als 25 Prozent weniger als noch fünf Jahre zuvor. Die Rückgänge zeigten sich vor allem in der Ostseefischerei drastisch: Seit 2017 haben sich dort die Fangmengen deutscher Fischerinnen und Fischer mehr als halbiert.

Allerdings scheinen sich die Bemühungen im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik der EU für die nachhaltige Nutzung der Fischbestände langsam auszuzahlen. Die Fischbestände haben sich zum Teil erholt und die Fangquoten 2023 für wichtige Fischarten in der Nordsee konnten auf Grundlage wissenschaftlicher Empfehlungen sogar angehoben werden (Kabeljau +60 Prozent, Schellfisch +25 Prozent, Seelachs +17 Prozent).

Trotz dieser erfreulichen Entwicklung bleibt die Gesamtsituation aber schwierig. Insbesondere für die Fischerei in der Ostsee, weil dort auch 2023 die beiden wirtschaftlich wichtigsten Fischarten, Dorsch und Hering, nicht gezielt befischt werden dürfen.

Viele deutsche Fischereibetriebe sind mittlerweile sogar in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht. Der Verdacht, dafür wären allein die Betriebe verantwortlich, die die Fischbestände jahrelang überfischt haben, greift aber zu kurz. Gerade in der Ostsee sind nämlich neben der Fischerei auch noch andere Einflussfaktoren für den schlechten Zustand dieses Binnenmeeres und seiner sensiblen Ökosysteme verantwortlich. Über die Zuflüsse gelangen große Mengen Dünger aus der Landwirtschaft in das Gewässer und verursachen Algenblüten, die nach ihrem Absterben stark sauerstoffzehrend wirken.

Satellitenaufnahme der Ostsee - genauer des baltischen Meers. Man sieht eine grünliche Färbung des Wassers durch Algen.
Algenblüte in der Ostsee - die massenhafte Vermehrung einzelliger Algen wird als "Schlieren" an der Wasseroberfläche sichtbar, aufgenommen von einem Copernicus Sentinel-3 Satelliten am 27. Juli 2019
Quelle: European Union, Copernicus Sentinel-3 imagery

Der Temperaturanstieg durch die Klimakrise vertreibt einige Fischarten aus ihren angestammten Verbreitungsgebieten, beeinflusst Naturkreisläufe und vermindert den Fortpflanzungserfolg von Fischarten wie dem Hering. Das alles beeinträchtigt die Fischbestände und schränkt die Fangmöglichkeiten der Fischerei so stark ein, dass zahlreiche Ostseefischer bereits den Beruf aufgegeben haben. Einigen Fischereigenossenschaften droht die Abwicklung, der Landesfischereiverband Mecklenburg-Vorpommern hat seine Auflösung beschlossen.

Wachsender Kostendruck lastet auf den Betrieben

Im Hinblick auf den Zustand der Fischbestände sieht es in der Nordsee zwar besser aus, doch auch hier ringen die Betriebe mit Problemen. Zu schaffen machen ihnen vor allem die eingeschränkten Fangmöglichkeiten infolge des Brexits, denn mit dem Ausscheiden aus der EU beanspruchen die Briten ihre 200-Seemeilen-Zone wieder ausschließlich für sich. Zuvor durften dort im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik alle EU-Mitgliedsländer fischen.

Außerdem sind die Kosten der Betriebe durch die hohen Energiepreise beträchtlich gestiegen. Beispielsweise entfielen in der Krabbenfischerei 2022 annähernd 60 bis 80 Prozent der Betriebsausgaben auf Treibstoffkosten. Unter diesen Bedingungen war für viele Betriebe keine wirtschaftliche Fischerei mehr möglich.

Ein Krabbenkutter mit zwei Netzen an den Seiten auf dem offenen Meer.
Krabbenkutter mit Baumkurren beim Fang von Nordseegarnelen.
Quelle: Dr. Michael Welling

Auch die Anschaffungs- und Wartungskosten für Technik zur Satellitenüberwachung der Fischereifahrzeuge (VMS) und elektronischen Logbücher (ERS) haben die Fischereibetriebe selbst zu tragen.

Fangmöglichkeiten werden zunehmend eingeschränkt

Während die Betriebskosten der Betriebe steigen, werden ihre Fangmöglichkeiten und damit die wirtschaftlichen Erträge zunehmend eingeschränkt. Nicht nur der Klimawandel sorgt dafür, dass ertragreiche Fanggebiete verloren gehen. Auch Meeresschutz und wirtschaftliche Interessen lassen sich nicht immer in Einklang bringen. Die Biodiversitätsstrategie der EU und Natura 2000 fordern die Ausweitung der Schutzgebiete in Nord- und Ostsee. Statt zehn Prozent der Fläche sollen es zukünftig 30 Prozent sein, davon ein Drittel ohne die kommerzielle Nutzung der Ressourcen, was jegliche Fischerei in diesen Gebieten ausschließt.

Durch die Ausweitung von Offshore-Windparks gehen weitere Fanggebiete für die Fischerei verloren. Das gilt auch für Flächen, wo Fahrrinnen vertieft, Sand und Kies abgebaut oder Baggergut, etwa aus der Elbe, Weser und anderen Gebieten, verklappt wird. Auch Seekabeltrassen und Pipelines engen potenzielle Fanggebiete ein.

Ein Offshore Windpark im offenen Meer
Offshore Windparks in der Nordsee schränken die Fanggebiete für die Fischerei ein.
Quelle: Christina Waitkus

Ertragsmindernd können sich auch Naturschutzauflagen auswirken, die nur einseitig auf den Schutz bestimmter Tierarten ausgerichtet sind. Im Bereich der Lübecker Bucht an der Ostseeküste wurde durch Untersuchungen der Nahrungszusammensetzung von Kormoranen erst kürzlich festgestellt, dass die Vögel bereits mehr Dorsche fressen als die Berufsfischerei in diesem Gebiet entnimmt.

Die Größe der deutschen Fischereiflotte wird sich weiter verringern

Alternative Einkommensquellen stehen Fischereibetrieben nur eingeschränkt zur Verfügung. Einige versuchen, ihre wirtschaftliche Situation durch Direktvermarktung aufzubessern. Andere bieten Angeltouren sowie Fahrten zur Beobachtung von Seevögeln an oder verchartern ihre Kutter für marine Forschungsprojekte.

Wen es besonders hart trifft, kann aber gezwungen sein, die Fischerei befristet ruhen zu lassen oder den Beruf ganz aufzugeben und den Kutter stillzulegen. Für beide Fälle gibt es finanzielle Beihilfen, die solche Entscheidungen gewiss nicht leichter machen, aber wenigstens dazu beitragen, sie sozialverträglich ab zu puffern. Die Schrumpfungstendenzen in der deutschen Fischerei sind unübersehbar.

Anzahl der Fangschiffe

2008

2013

2018

2023

Motorfischkutter

davon < 12 Meter

1.737

1.379

1.483

1.187

1.300

1.034

1.154

923

 Tab. Fahrzeuge der kleinen Hochsee- und Küstenfischerei in Nord- und Ostsee. (Quelle: BLE)

Die Anzahl der Fischereibetriebe und Fangschiffe sinkt. Mittel- und langfristig trägt diese Reduzierung der Fangkapazitäten dazu bei, den verbleibenden Betrieben eine gesicherte berufliche Perspektive und ein angemessenes Einkommen zu ermöglichen. Kurzfristig steht die Fischerei jedoch vor der Herausforderung, junge Menschen zu finden, die sich trotz der augenblicklich schwierigen Situation weiterhin für die Berufsfischerei begeistern.

Letzte Aktualisierung: 24. März 2023


Weitere Informationen

UBA: Der Klimawandel ist ein zusätzlicher Stressfaktor für die Fischbestände in Nord- und Ostsee

BLE: Bestandserhaltungsmaßnahmen in den Natura-2000-Gebieten


Drei Fischer holen Heringe aus dem Netz

Mit dem Fischer auf See

Fischerei ist viel mehr als nur Fische fangen – ein Fischer gibt Einblick in seinen vielfältigen Berufsalltag.

Fischerboot auf dem Meer

Wie entstehen Fangquoten für die Fischerei?

Fangquoten sind wichtige Instrumente für eine nachhaltige Fischerei. Ihre Ermittlung ist aufwendig, teuer und erfordert ein enormes Know-how.

Wie funktioniert die Gemeinsame Agrarpolitik der EU?

Knapp ein Drittel des EU-Budgets fließt in die Förderung der Landwirtschaft. Was ist der Grund dafür und wer erhält wofür Fördergelder?

Viele Karpfen bei einer Fütterung in einem Teich

Wie nachhaltig ist Fisch aus deutscher Aquakultur?

Fisch aus heimischer Erzeugung ist zwar nur ein Nischenprodukt. Vor allem Karpfen und oft auch Forellen können aber mit einer guten Umweltbilanz überzeugen.