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Viel Vieh, (zu) viel Gülle

In viehreichen Gebieten fällt oft zu viel Gülle an. Dem begegnet man, indem der tierische Dünger in Ackerbauregionen transportiert wird.

In viehreichen Gebieten fällt oft zu viel Gülle an. Die überschüssige Gülle wird dann mit großen Tanklastzügen in Gebiete gefahren, wo sie verwertet werden kann.
Quelle: landpixel.de

Gülle, ein Gemisch aus Kot und Urin, enthält wichtige Nährstoffe für Pflanzen und ist damit ein wertvoller Dünger. In einigen Gebieten Deutschlands, besonders in den viehreichen, produzieren die Landwirtschaftsbetriebe mit ihren Tieren allerdings sehr viel mehr Gülle, als die Pflanzen auf ihren Feldern und Wiesen aufnehmen können. Das hat dazu beigetragen, dass das Grundwasser in einigen dieser Gebiete mit Nitrat belastet ist.

Warum ist Nitrat ein Problem?

Pflanzen können nur eine bestimmte Menge an Stickstoff aufnehmen. Alles, was darüber hinaus mit der Gülle auf den Acker gebracht wird, sickert an der Wurzel vorbei ins Grundwasser.

Der Gesetzgeber gibt zwar Grenzen vor, wie viel Stickstoff (und damit Nitrat) mit den tierischen Düngern maximal ausgebracht werden darf und zu welcher Jahreszeit. In der Vergangenheit reichten diese Vorgaben jedoch nicht aus.

Laut Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) versickern rund 44 Prozent des in der Landwirtschaft eingesetzten Stickstoffs im Boden oder gehen gasförmig verloren. Eine Folge dieser Überdüngung sind Nitratbelastungen des Grundwassers. Zu viel Nitrat im Trinkwasser kann gesundheitliche Probleme mit sich bringen und ist schlecht für die Umwelt.

In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen werden mehr als die Hälfte aller deutschen Schweine, Puten und Masthühner gehalten.
Quelle: landpixel.de

Problemgebiete sind die Hot Spots der Tierhaltung

Betroffen von der Nitrat-Problematik sind besonders die Gebiete Deutschlands, in denen viele Tiere gehalten werden – allen voran Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

In diesen beiden Bundesländern werden fast 33 Prozent aller Rinder und 60 Prozent aller Schweine gehalten.

Die Viehdichte, das heißt die Anzahl der Nutztiere je Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche, ist dort besonders hoch.

Was sind Großvieheinheiten?

Die Viehdichte wird in Großvieheinheiten (GV) pro Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche angegeben. Eine GV entspricht 500 Kilogramm. Das ist in etwa so viel wie das Gewicht von einer Milchkuh oder fünf schlachtreifen Mastschweinen. 

In manchen viehintensiven Regionen Nordwestdeutschlands werden mehr als drei Großvieheinheiten (siehe Infokasten) pro Hektar gehalten. Die durchschnittliche Viehdichte in Deutschland liegt dagegen bei 0,72 Großvieheinheiten pro Hektar. 

In vielen dieser Gebiete fallen bereits jetzt deutliche Gülleüberschüsse an.

Wohin mit der überschüssigen Gülle?

Den Überschuss an Gülle, den die Landwirtinnen und Landwirte nicht über die eigene Fläche verwerten können, müssen sie loswerden. Und zwar an andere Landwirtschaftsbetriebe, die ihn gebrauchen können. So verlangt es das Gesetz. Wer kann, gibt die überschüssige Gülle an viehlose Ackerbaubetriebe in der Nachbarschaft ab – manchmal mit dem Umweg über die Biogasanlage.

Inzwischen gibt es zahlreiche Unternehmen, die sich auf den Transport und die Vermittlung von Gülle spezialisiert haben.
Quelle: landpixel.de

In viehstarken Gebieten sind die Kapazitäten aufnehmender Betriebe in der näheren Umgebung meist jedoch schnell erschöpft. Und so bleibt den Tierhaltungsbetrieben nichts anderes übrig, als die Gülle auch über weitere Distanzen an abnehmende Betriebe abzugeben.

Produziert die deutsche Landwirtschaft zu viel Gülle?

Schätzungen von Experten des Thünen-Instituts und des Kuratoriums für Bauwesen und Landwirtschaft (KTBL) zufolge, erzeugen deutsche Nutztiere mit ihren Ausscheidungen weit weniger Nährstoffe, als in Deutschland insgesamt auf den Äckern und Wiesen verwertet werden könnten.

Rein rechnerisch ist die insgesamt in Deutschland anfallende Menge an Gülle und anderen tierischen Düngern somit nicht das Problem. Problematisch ist aber die Ungleichverteilung zwischen den Orten, wo die Gülle anfällt (Tierhaltungsregionen) und den Orten, wo sie benötigt wird (Ackerbauregionen).

Da die Landwirtschaftsbetriebe dies in der Regel nicht allein leisten können, sind in den Gebieten der Tierhaltung zahlreiche Unternehmen entstanden, die sich allein auf die Abnahme, den Transport und die Vermittlung von Gülle sowie Gärresten aus Biogasanlagen spezialisiert haben.

Vermittlung und Transport der Gülle zahlte in der Vergangenheit meist derjenige Landwirtschaftsbetrieb, der sie loswerden möchte. Aufnehmende Betriebe erhielten die Gülle meist kostenlos oder bekamen noch Geld obendrauf bezahlt. Das hat sich inzwischen jedoch geändert: Seitdem die Preise für Mineraldünger in den letzten Jahren so stark angestiegen sind, ist die Bereitschaft der aufnehmenden Betriebe, für die Gülle zu bezahlen, gestiegen.

Wie kritisch sind die Gülletransporte zu bewerten?

Über den Transport von Gülle werden organische Dünger aus Gebieten mit einem Überangebot in Gebiete mit einem Nährstoffbedarf befördert. Dadurch kann die Mineraldüngeranwendung in diesen Regionen verringert werden. Problematisch ist allerdings die zum Teil extreme Ungleichverteilung zwischen den Orten des Gülleanfalls und den Orten des Güllebedarfs. Mitunter liegen mehrere Hundert Kilometer dazwischen.

Hier stößt das System der Gülletransporte an seine Grenzen. Denn je weiter die Gülle in die Bedarfsregionen transportiert werden muss, umso unwirtschaftlicher wird der Transport und umso größer werden auch die Umweltbelastungen, die durch den LKW-Verkehr entstehen.

Nicht selten kommt es auf den Transporten zu Unfällen, mit zum Teil schwerwiegenden Folgen für die Umwelt. Nämlich dann, wenn große Mengen Jauche, Gülle und Silagesickersäfte sowie vergleichbare Stoffe unkontrolliert in die Umwelt austreten.

Welche Auswege gibt es aus dem Gülletransport-Dilemma?

Bei Gülletransporten wird vor allem Wasser durch die Gegend gefahren. Gülle besteht zu 90 Prozent aus Wasser. Die Nährstoffe und festen organischen Bestandteile der Gülle, um die es den abnehmenden Betrieben im Wesentlichen geht, machen gerade mal zehn Prozent des Transportgewichts aus.

Unproblematischer für Umwelt und Geldbeutel wäre es daher, wenn man der Gülle vor dem Transport das Wasser entziehen und nur die organischen Bestandteile und Nährstoffe transportieren würde. Erste innovative Verfahren dazu gibt es bereits.

In Betrieben des Öko-Landbaus ist die Tierzahl an die Fläche gebunden. Hier fällt nur so viel Dünger an, wie auf den eigenen Flächen verwertet werden kann.
Quelle: Thomas Stephan - BLE

Umweltschützer fordern flächengebundene Tierhaltung

Umwelt- und Bio-Verbände vertreten die Meinung, dass man die Nitratproblematik und den "Gülletourismus" nur durch eine konsequente Bindung der Tierzahlen an die landwirtschaftliche Fläche in den Griff bekommen kann. Betriebe dürften danach nur so viele Tiere halten, wie sie auch deren Dung auf den ihnen zur Verfügung stehenden Flächen verwerten können – ohne damit den Boden zu überfrachten.

Solch eine Flächenbindung der Tierhaltung existiert im Öko-Landbau. Öko-Betriebe dürfen maximal zwei Großvieheinheiten – das entspricht etwa zwei Kühen oder 14 Mastschweinen – je Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche halten. Dabei muss ein Großteil des Futters von diesen Flächen stammen.

Langfristig sieht auch die Politik die Lösung in einer stärkeren Flächenbindung der Tierhaltung. So haben einige Bundesländer inzwischen ihre Stall-Förderprogramme an die zwei Großvieheinheiten pro Hektar gekoppelt. Das heißt, Betriebe, die neue Ställe bauen und dafür Fördergelder beantragen wollen, müssen genügend Fläche nachweisen können. Und auch die Bundesregierung hat sich in ihrem "Klimaschutzplan 2050" dazu bekannt, die Förderung stärker an diesem Verhältnis auszurichten.

Letzte Aktualisierung: 8. Mai 2024


Weitere Informationen

Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen: Was ist Gülle?

Thünen-Institut: Nutztierhaltung und Fleischproduktion in Deutschland


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