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True Cost Accounting – Was Lebensmittel wirklich kosten (müssten)

Letzte Aktualisierung: 30. Juli 2025

Bei der Erzeugung von Lebensmitteln entstehen Kosten, die nicht über den Ladenpreis abgedeckt sind. Was müsste hier noch berücksichtigt werden?

Ausbringung von Kunstdünger
Eine übermäßige Ausbringung von Stickstoffdünger kann das Grundwasser belasten, was zu höheren Kosten in der Trinkwasseraufbereitung führt.
Quelle: pilesasmiles via Getty Images

In Kürze


Der Preis von Lebensmitteln zeigt meist nicht die tatsächlichen Herstellungskosten. Umwelt- oder soziale Schäden, die bei der Erzeugung oder Verarbeitung entstehen, werden oft nicht im Preis berücksichtigt. Die Kosten für die Beseitigung dieser Schäden tragen dann nicht der Erzeuger oder die Konsumentin, sondern die Gesellschaft.

Ein Beispiel ist der intensive Einsatz von Stickstoffdünger im Pflanzenbau, der zu erhöhten Nitratwerten im Grundwasser führen kann. Die anschließende Aufbereitung zu Trinkwasser wird dadurch aufwendiger und teurer. Die Mehrkosten trägt häufig die Allgemeinheit, etwa über höhere Trinkwasserpreise. Auch die Zerstörung wertvoller Naturräume, etwa durch Rodung von Wäldern zur Futtermittelerzeugung, verursacht ähnliche Folgekosten.

Ziel: Mögliche Kosten sichtbar machen

Es gibt verschiedene Ansätze, diese Kosten sichtbar zu machen. In Zusammenarbeit mit Wissenschaft, kirchlichen Hilfswerken und der Ernährungsbranche ist so zum Beispiel die “True Cost Initiative” entstanden, die Bewusstsein dafür schaffen möchte, was Lebensmittel tatsächlich kosten müssten, wenn man alle Schäden berücksichtigt, die bei der Erzeugung und Verarbeitung entstehen. 

Auch ein Forschungsteam der Universität Augsburg hat 2020 in einer gemeinsamen Studie mit einem großen Handelsunternehmen für Lebensmittel versucht, die sogenannten wahren Kosten von Lebensmitteln zu bestimmen (True Cost Accounting). Dafür bewerteten sie die negativen Auswirkungen von Stickstoffeinträgen, Treibhausgasemissionen, Energieeinsatz und Landnutzungsänderungen in Geldwerten und rechneten diese auf den regulären Marktpreis der Produkte auf.

Bei Fleisch aus konventioneller Erzeugung liegen die wahren Kosten besonders hoch.
Quelle: frantic00 via Getty Images

Je nach Lebensmittel führten die Berechnungen in der Untersuchung zu Aufschlägen von acht bis 173 Prozent. Das heißt, einige Produkte wurden mehr als zweieinhalb Mal so teuer. Den geringsten Aufschlag gab es im Durchschnitt bei pflanzlichen Lebensmitteln wie Äpfeln (acht Prozent) und Kartoffeln (zwölf Prozent), während die wahren Kosten für Milch- und Fleischprodukte wie Käse (88 Prozent) oder Hackfleisch (173 Prozent) besonders hoch ausfielen. Allgemein lagen die Aufschläge für die untersuchten Bio-Lebensmittel im Schnitt niedriger als bei konventionell erzeugten Produkten.  

Die höchsten Preisaufschläge müssten wegen ihres hohen Energiebedarfs laut der Studie tierische Produkte aus intensiver Tierhaltung haben. So müssen diese Betriebe große Mengen an Futtermitteln erzeugen und Mastställe beheizen oder belüften. Hinzu kommt, dass der Stoffwechsel der Tiere zu einem großen Austrag von Stickstoff und Treibhausgasen führt. Eine ökologische Erzeugung schneidet vor allem wegen des Verzichts auf synthetische Stickstoffdünger besser ab.

Für die tatsächlichen Kosten gibt es eine ganze Reihe von Aspekten zu berücksichtigen, die sich nicht immer eindeutig berechnen lassen.

Konzept steht erst am Anfang

Dennoch ist man noch weit davon entfernt, die wahren Kosten für Lebensmittel in Geldwerten ermitteln und tatsächlich im Supermarkt auszuweisen zu können. Denn die dafür benötigten Berechnungen sind extrem komplex. Neben den vier in der Studie der Universität Augsburg angelegten Kriterien gibt es noch viele weitere Punkte, die berücksichtigt werden müssten.

Dazu gehören zum Beispiel der Wasserverbrauch, der Einsatz von Pestiziden, der Verlust der Artenvielfalt sowie soziale Aspekte wie eine faire Entlohnung der Erzeugerbetriebe und Erntehilfskräfte – auch in weniger entwickelten Ländern. Zudem lassen sich einige Kriterien – wie der Verlust der Artenvielfalt – nur schwer bewerten und in einen konkreten Aufpreis umrechnen.

Die verursachten Schäden bei der Erzeugung über entsprechende gesetzliche Vorgaben in den Bilanzen von landwirtschaftlichen Betrieben und Lebensmittelunternehmen sichtbar zu machen, wäre aus Sicht von Fachleuten eine wichtige Voraussetzung, um die wahren Kosten präziser eingrenzen zu können. Ein Beispiel und ein erster Schritt auf diesem Weg ist die bereits eingeführte Bepreisung von Treibhausgasen über eine sogenannte CO2-Steuer für fossile Brennstoffe.

Milchkühe im Stall
Bei der Haltung von Milchvieh und Rindern für die Mast entstehen viele Treibhausgase.
Quelle: deimagine via Getty Images

Schäden zu vermeiden ist günstiger als Schäden zu beseitigen

Die Fachleute raten darüber hinaus dazu, die Bilanzierung der wahren Kosten der Erzeugung auch auf alle anderen Wirtschaftsbereiche zu übertragen. Denn letztlich sei es volkswirtschaftlich immer günstiger, Schäden zu vermeiden, als sie später beseitigen zu müssen.

Voraussetzung dafür ist jedoch, dass sich Handel und Erzeugung im Bereich Lebensmittel darauf einigen, welche Kriterien berücksichtigt werden sollen und wie sie sich letztlich im Preis niederschlagen. Hier besteht noch großer Diskussions- und Forschungsbedarf. Zur ersten Orientierung und einer möglichen Einführung eines "True Cost"-Konzepts in die Praxis hat die "True Cost Initiative" ein umfangreiches Handbuch veröffentlicht.

Kreditgeber haben Nachhaltigkeit im Blick

Einen Schub könnte das Konzept durch die Finanzmärkte erhalten. Denn immer mehr Investoren achten bei der Einschätzung von Unternehmen darauf, wie nachhaltig deren Geschäftsmodelle ausgestaltet sind. Schließlich werden die Risiken, die aus nicht nachhaltigem Wirtschaften erwachsen, immer größer. Das machen Krisen wie die Corona-Pandemie oder der Klimawandel beispielhaft deutlich.


Weitere Informationen

Nationaler Dialog: Gemeinsam nachhaltig ernähren

True Cost Initiative

True Cost Accounting Agrifood Handbook (PDF, englisch)

Universität Augsburg: Die wahren Kosten von Lebensmitteln

oekolandbau.de: Vergleich: Wahre Kosten von Bio- und konventionellen Lebensmitteln


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