Was bedeutet Market Gardening?
Letzte Aktualisierung: 30. Juni 2025
Wie Betriebe auf kleiner Fläche und mit Handarbeit erfolgreich und im Einklang mit der Natur Gemüse erzeugen – lokal, nachhaltig und effizient.

In Kürze
- Market Gardening steht für effizienten Gemüseanbau auf kleinster Fläche. Verkauft wird das Gemüse über Direktvermarktung.
- Statt großer Maschinen kommen Handarbeit und einfache Werkzeuge zum Einsatz.
- Geringe Kosten bei gleichzeitig hohen Erträgen pro Quadratmeter machen das System wirtschaftlich.
- Trotz intensivem Anbau wird viel Wert auf Bodenfruchtbarkeit, Vielfalt und Nachhaltigkeit gelegt.
- Bislang ist Market Gardening eine Nische.
Hinter dem Begriff Market Gardening (zu Deutsch: Marktgärtnerei) verbirgt sich der kleinflächige Anbau von Gemüse für den direkten Verkauf – meist auf Wochenmärkten, in Abo-Kisten oder an lokale Restaurants. Andere Begriffe, die in diesem Zusammenhang oft genannt werden, sind biointensiver Gemüsebau, oder kleinstrukturierte regenerative Landwirtschaft.
Meist wirtschaften Market Gardening-Betriebe auf weniger als einem Hektar. Zum Vergleich: die mittlere Anbaufläche eines Freiland-Gemüsebaubetriebs liegt im gesamtdeutschen Durchschnitt bei rund 21 Hektar.
Renaissance eines alten Gartenbau-Prinzips
Das Prinzip hinter Market Gardening ist nicht ganz neu: Schon im 19. Jahrhundert versorgten sogenannte "Gartenbauern" die Städte mit frischem Gemüse von stadtnahen Flächen. Besonders bekannt ist etwa die "Pariser Gemüsebaukultur" – maraîchage parisien –, bei der auf kleinsten Flächen mit Mist beheizte Frühbeete und enge Fruchtfolgen eingesetzt wurden, um ganzjährig frisches Gemüse direkt zu den Märkten der Stadt zu liefern.

Quelle: Weierhöfer Gartengemüse
Die moderne Bewegung, wie wir sie heute kennen, hat ihren Ursprung vor allem in Kanada. Als eine der Schlüsselfiguren gilt Jean-Martin Fortier, der mit seinem Buch The Market Gardener (2014) das Konzept eines wirtschaftlich erfolgreichen, biologisch arbeitenden Kleinstbetriebs international bekannt machte.
Wie funktioniert Market Gardening?
Statt großer Felder mit langen Wegen setzen Market Garden-Betriebe auf kompakte Flächen: Viele kleine Beete nebeneinander, oft in unmittelbarer Nähe zum Hof oder sogar direkt neben dem Wasch- und Packbereich. So können frisch geerntete Produkte innerhalb weniger Minuten gewaschen, sortiert und verpackt werden – ohne dass ein Traktor oder lange Transportwege nötig sind.
Market Gardening setzt auf Handarbeit und einfache Werkzeuge – keine schweren Maschinen. Ein solches Werkzeug ist zum Beispiel die Biograbegabel, mit der der Boden gelockert wird, ohne ihn zu wenden. Das verringert nicht nur die Anschaffungskosten, sondern ist auch umweltschonend und fördert die Bodenstruktur. Außerdem wird oft mit dauerhaften Mulchsystemen oder einfachen Vliesabdeckungen gearbeitet – das mindert den Unkrautdruck und den Wasserbedarf erheblich – ohne teure Technik.

Quelle: Weierhöfer Gartengemüse
Market Gardener sorgen für gute Standortverhältnisse und bepflanzen die Beete dichter als üblich. Sie erhöhen die Bodenfruchtbarkeit durch Kompost. Und damit keinerlei Bodenverdichtungen auftreten, die einem gesunden Wurzelwachstum entgegenstehen, werden die Beete so schmal angelegt, dass sie beim Bearbeiten niemals betreten werden müssen.
Ein entscheidender Punkt im Market Gardening ist die Direktvermarktung: Das Gemüse wird ohne Zwischenhändler oder Supermarkt direkt an die Kundinnen und Kunden verkauft – etwa auf dem Wochenmarkt, über eine Gemüse-Abo-Kiste oder im Hofladen. Viele Betriebe arbeiten auch nach dem Prinzip der Solidarischen Landwirtschaft.
Klein, vielfältig, effizient - die Prinzipien des Market Gardening
Market Gardening basiert auf ein paar zentralen Grundsätzen:
- Kleine Flächen (oft weniger als ein Hektar)
- Viele Kulturen auf engem Raum
- schnell wachsende, ertragreiche Gemüsesorten mit hoher Nachfrage
- Bodenfruchtbarkeit und Bodenschutz stehen im Mittelpunkt
- Handarbeit und einfache Werkzeuge ersetzen schwere Maschinen
- Direktvermarktung an Verbraucherinnen und Verbraucher
Kann so ein kleinflächiger Landbau wirtschaftlich sein?
Tatsächlich ja – Praxisbeispiele zeigen, dass sich selbst auf weniger als einem Hektar Fläche ein Einkommen erzielen lässt, das den Vergleich mit anderen gartenbaulichen Betrieben nicht scheuen muss.
Doch wie kann das sein, wo es in der modernen Landwirtschaft oft heißt, Betriebe müssten immer größer werden und mit immer mehr Technik immer effizienter wirtschaften, um überleben zu können?
Der Schlüssel liegt in der hohen Effizienz. Market Gardener arbeiten auf sehr kleiner Fläche, sodass die Kosten für die Pacht vergleichsweise gering sind. Auf dieser kleinen Fläche bauen sie die Pflanzen mit engeren Pflanzabständen als im Gartenbau üblich an. Bei der Wahl der Kulturen achten sie nach Möglichkeit darauf, schnell wachsende, ertragreiche Gemüsesorten mit hoher Nachfrage zu verwenden.

Quelle: Weierhöfer Gartengemüse
Market Gardener setzen auf höchstmögliche Bodenfruchtbarkeit, indem sie viel Kompost einsetzen und die Böden nicht betreten, um Verdichtungen zu vermeiden. So lässt sich das Maximum aus jedem Quadratmeter Gartenfläche herausholen, ohne ihn dabei auszubeuten.
Investitionen in teure Maschinen entfallen, weil mit einfachsten Geräten und viel per Hand gearbeitet wird. Die Wege auf einem derart kleinstrukturierten Betrieb sind zudem sehr kurz, sodass Zeit eingespart werden kann.
Zwar müssen die Betriebe auch Zeit und Investitionen in die Vermarktung ihrer Produkte tätigen, sie haben aber die Preisgestaltung selbst in der Hand. Dadurch bleiben dem Betrieb größere Teile des Verkaufspreises erhalten – ohne Abzüge durch Handel und Logistik. Die Produkte können so zu einem Preis verkauft werden, der den tatsächlichen Arbeitsaufwand widerspiegelt.
Ist Market Gardening immer bio?
Oft ja – aber nicht zwingend. Viele Betriebe arbeiten nach biologischen Grundsätzen, ohne zertifiziert zu sein. Das liegt unter anderem an den Kosten und dem bürokratischen Aufwand für ein Bio-Siegel, die sich für Kleinbetriebe nicht immer lohnen.
Verbreitung
Market Gardening ist bislang eine Nische. Offizielle Zahlen, wie viele Market Gardening-Betriebe in Deutschland existieren, gibt es nicht.
Das Interesse an dem Konzept wächst aber. Insbesondere jungen Gärtnerinnen und Gärtnern sowie Quereinsteigern bietet es eine gute Möglichkeit, in den Gartenbau einzusteigen. Initiativen wie Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) oder urbane Gartenprojekte setzen zunehmend auf Market Gardening.
Nicht ohne Herausforderungen
Die intensive Bewirtschaftung kleiner Flächen erfordert ein hohes Maß an Fachwissen und sorgfältigem Management. Allein die Planung der Fruchtfolgen in den einzelnen Beeten ist sehr komplex: Viele verschiedene Gemüsearten mit kurzen Kulturzeiten müssen dabei berücksichtigt werden, ohne dass es zu fruchtfolgedingten Krankheiten kommt.
Auch die Kompostwirtschaft und Düngung, die bodenschonende Bearbeitung sowie die sehr engen Pflanzabstände stellen hohe Anforderungen an die Praxis. Diese Maßnahmen müssen exakt auf die jeweiligen Standortbedingungen abgestimmt werden.
Die ausschließliche Handarbeit erfordert zudem ein gewisses Maß an körperlicher Belastbarkeit.
Um direktvermarkten zu können, sind verlässliche Absatzkanäle nötig, Diese sind aber nicht an allen Standorten gegeben. Darüber hinaus liegt auch nicht jedem Gärtner beziehungsweise jeder Gärtnerin der Umgang mit Kundschaft im Blut und erfordert somit zusätzliche Expertise.

Quelle: Weierhöfer Gartengemüse
Im Gespräch
"Effizienz statt Fläche" – Wie der Market Gardening-Betrieb "Weierhöfer Gartengemüse" mit nur 2.400 Quadratmetern 200 Haushalte mit Gemüse versorgt
Sara Knapp und Orfeas Fischer betreiben mit Weierhöfer Gartengemüse einen Market Gardening-Betrieb, der zeigt, wie kleinstrukturierte, biologische Landwirtschaft heute funktionieren kann – effizient und lokal.
Im Interview erzählen sie, wie alles begann, was sie antreibt – und warum der Sonntag bei ihnen heilig ist.
Landwirtschaft.de: Wie seid ihr persönlich zum Market Gardening gekommen – was war euer Antrieb?
Unsere Reise ins Market Gardening begann vor acht Jahren: Wir haben beide ökologische Landwirtschaft in Witzenhausen studiert und wollten wissen, wie man richtig gutes Gemüse anbauen kann – nicht nur für den Eigenbedarf, sondern professionell und wirtschaftlich. 2017 fiel uns das Buch "Bio-Gemüse erfolgreich direktvermarkten" von Jean-Martin Fortier in die Hände – und plötzlich war alles klar. Wir sind nach Kanada geflogen, haben seine Farm besucht und waren sofort begeistert. Drei Monate später haben wir dann unser eigenes kleines Gartenabenteuer gestartet – mit dem Ziel, Menschen aus der Region mit frischem Bio-Gemüse zu versorgen und dabei selbst ein gutes Leben führen zu können.
Landwirtschaft.de: Wie groß ist die Fläche, die ihr bearbeitet und wie viele verschiedene Kulturen baut ihr an?
Unsere Fläche ist überschaubar – gerade mal 7.000 Quadratmeter insgesamt, davon 2.400 Anbaufläche. Aber genau das lieben wir: Alles ist gut organisiert, intensiv genutzt und leicht zu managen. Wir arbeiten mit etwa 135 Dauerbeeten, zum Teil auch in Gewächshäusern. Über die Saison bauen wir rund 35 verschiedene Kulturen an – mit Fokus auf schnelle, ertragreiche Gemüsesorten wie Salate, Kräuter, Radieschen oder Gurken. Biologischer Anbau, Vielfalt, Effizienz und Bodengesundheit stehen für uns an erster Stelle.
Landwirtschaft.de: Wie finden eure Produkte den Weg zu den Kundinnen und Kunden?
Unser Hauptvertriebskanal mit 80 Prozent ist die Gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft. Rund 200 Haushalte aus der Umgebung abonnieren einen Gemüseanteil für eine ganze Saison und erhalten über 31 Wochen frisches Weierhöfer Gartengemüse. Das Schöne daran: Unsere Kund/innen kommen donnerstags in den Garten, holen ihr Gemüse ab und sehen dabei, wo ihr Essen wächst. Ergänzend liefern wir Salate an zwei Hofläden und verkaufen über "Marktschwärmer". Alles lokal, direkt und persönlich.
Landwirtschaft.de: Wie viel Arbeitszeit investiert ihr pro Woche in den Betrieb?
Wir arbeiten beide Vollzeit – etwa 35 Stunden die Woche im Garten. Dazu kommen rund zehn Stunden für unseren Onlinekurs Market Garden Pro, mit dem wir unser Wissen weitergeben. Struktur ist uns wichtig: Der Tag beginnt mit Yoga, dann eine kurze Tagesplanung, danach geht’s fokussiert an die Arbeit – meistens mit dem Ziel, spätestens um 17 Uhr Feierabend zu machen.

Quelle: Weierhöfer Gartengemüse
Landwirtschaft.de: Und der Sonntag?
Der ist heilig – da wird entspannt, gewandert oder mit unseren Meerschweinchen im Tiny Haus gechillt.
Landwirtschaft.de: Könnt ihr mit dem, was ihr erwirtschaftet, gut leben?
Ja, absolut. Und das war von Anfang an unser Anspruch. Schon im zweiten Jahr konnten wir gut von unserer Arbeit leben – heute erwirtschaften wir rund 100.000 Euro Umsatz pro Jahr mit einer hohen Marge. Weil wir effizient arbeiten, klare Prozesse haben und gut planen, bleibt am Ende nicht nur genug fürs Konto, sondern auch für freie Zeit und neue Ideen. Unser Garten ist nicht nur unsere Arbeit – er ist unser Lebensmodell.
Landwirtschaft.de: Was sind aus eurer Sicht die größten Herausforderungen im Market Gardening?
Die größte Challenge? Dranzubleiben – mental und körperlich. Das Wetter, der Druck, ab und zu die langen Tage – das kann anstrengend sein. Deshalb achten wir sehr auf unsere Balance: Gute Routinen, Bewegung, Auszeiten. Technisch war anfangs der Aufbau unserer Infrastruktur knifflig, und natürlich gibt’s auch mal tierische Gäste wie Rehe im Mangold. Aber: Jede Herausforderung hat uns wachsen lassen. Das Wichtigste ist, mit dem Garten mitzuwachsen – und den Spaß nicht zu verlieren.
Landwirtschaft.de: Vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen
Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL): Biogemüsefibel 2021 – Fokus Marktgärtnerei