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Aquaponik – Fisch- und Pflanzenzucht unter einem Dach

Fisch liefert wertvolles tierisches Eiweiß. Nun wird die Fischzucht mit der Gemüseproduktion ressourcensparend kombiniert.

Aquaponik
Quelle: Bundesverband Aquaponik e.V.

Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich gesunde und regional erzeugte Lebensmittel. Neue Konzepte nachhaltiger Lebensmittelerzeugung in städtischen Räumen, wie Vertical Farming, stoßen dabei auf großes Interesse. Bereits in den 1980er-Jahren experimentierten US-Wissenschaftler mit Aquaponik – einem Ansatz, bei dem zwei Produktionssysteme auf kleinstem Raum unter einem Dach miteinander kombiniert werden.

Aquaponik verbindet Fischzucht (Aquakultur) mit Pflanzenzucht in erdelosen Substraten beziehungsweise ganz ohne Substrate (Hydroponik) durch einen gemeinsamen Wasser- und Nährstoffkreislauf innerhalb eines Gebäudes. Ein ideales Konzept also, um regionale Landwirtschaft im städtischen Raum ressourcen- und flächeneffizient zu betreiben.

Ressourcen effizient einsetzen

Verschiedene Synergien zwischen den beiden Bewirtschaftungsformen bilden die Grundlage der nachhaltigen Lebensmittelproduktion. Das von den Fischen über den Kot ausgeschiedene Ammonium im Nutzwasser der Aquakultur wird in Biofiltern durch Bakterien in Nitrat umgewandelt. Dadurch kann das Abwasser aus den Fischbecken für die Bewässerung und Düngung der Pflanzen wiederverwertet werden und bildet den natürlichen Stickstoffkreislauf auf technische Weise ab. Eine ökologisch problematische Überdüngung natürlicher Gewässer, wie sie bei ungeregelter Entsorgung von Abwässern aus der Aquakultur vorkommen kann, wird dadurch verhindert.

Schon heute ist eine nachhaltige und regionale Lebensmittelproduktion in Aquaponikbetrieben möglich. Dazu hat maßgeblich das in Berlin ansässige Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) beigetragen: Das Projekt "Tomatenfisch" einer Forschungsgruppe um Professor Werner Kloas wurde rasch bundesweit bekannt und führte zur Entwicklung und Patentierung eines eigenen Aquaponiksystems.

Im geschlossenen Wasserkreislauf leben dort Tilapia, Speisefische aus der Familie der Buntbarsche. Bei Bedarf reguliert ein Einwegventil die Wasserentnahme aus dem Fischkreislauf in Richtung Tomatenzuchtanlage. Nach der Wasseraufbereitung durch einen Biofilter erhalten die auf Substrat wachsenden Pflanzen eine ideale Nährlösung mit richtigem pH-Wert. Das über die Blätter verdunstende Wasser wird von einer Klimaanlage aufgefangen und zurück in den Fischkreislauf geführt.

Energiekosten entstehen in erster Linie für die Klimatisierung der Anlage. Doch in einem Gewächshaus kann im Vergleich zum Freilandanbau das Fünf- bis Zehnfache produziert werden. Mit dem Aquaponiksystem des IGB lassen sich mit 100 Litern Wasser ein Kilogramm Fisch erzeugen sowie zusätzlich fünf Kilogramm Tomaten. Zum Vergleich: In der spanischen Gemüsehochburg Almeria werden für ein Kilogramm Tomaten rund 180 Liter Wasser verbraucht – mit weitreichenden ökologischen Folgen wie einem sinkenden Grundwasserspiegel und versalzten Böden.

Laut dem World Wild Fund for Nature (WWF) entfallen rund 70 Prozent des globalen Süßwasserverbrauchs auf Landwirtschaft und Weiterverarbeitung. Demgegenüber ermöglichen Aquaponikfarmen eine Lebensmittelproduktion mit einem um 50 bis 90 Prozent verringerten Wasserverbrauch: 50 Prozent beträgt die Ersparnis bei den alten Einkreislaufsystemen – schlicht aufgrund der Doppelnutzung des Wassers. Ein Zweikreislauf-System mit Wasserrückgewinnung kommt sogar auf eine Ersparnis von 90 Prozent. Frischwasser muss bei diesem Produktionssystem nur Verluste durch Verdunstung und die Entnahme von Biomasse aus dem System ausgleichen.

Moderne Aquaponikanlagen nutzen ein gemeinsames Heizsystem sowohl für die Fisch- als auch für die Pflanzenzucht. So werden Wärmeverluste verringert und Energie effizienter genutzt. Da für die Wärme- und Energiezufuhr im Treibhaus Energiequellen wie Sonne und Biogas genutzt und die Tomaten das von den Fischen abgegebene Kohlendioxid fixieren, kann die Aquaponik-Anlage des IGB nahezu CO₂-neutral und emissionsfrei betrieben werden.

Fische sind darüber hinaus sehr gute Futterverwerter und deshalb einer der nachhaltigsten Lieferanten von tierischem Eiweiß. Ein Kilogramm Fisch kann in Aquaponik-Farmsystemen mit ähnlichen Futterquotienten wie bei separaten Aquakulturkreislaufsystemen produziert werden: Ein Kilogramm Futter ergibt etwa ein Kilogramm Fisch.

Fisch und Pflanze in Symbiose

Eine beliebte Fischart für Aquaponikanlagen ist Tilapia. Diese Süßwasserfische schätzen warme Wassertemperaturen und gelten als robust und wenig anfällig für Krankheiten. Als Allesfresser und gute Futterverwerter können sie vegetarisch ernährt werden, wodurch auf Fischmehl oder -öl von Wildfängen aus dem Meer weitgehend verzichtet werden kann. Tilapia werden schon mit einem halben Jahr geschlechtsreif und laichen mehrfach im Jahr. Auch weitere beliebte Speisefische wie Bach- und Regenbogenforelle, Karpfen, Hecht oder der afrikanische Raubwels werden in entsprechenden Haltungssystemen produziert.

Kulturfische mögen eher pH-neutrales Wasser, während einige Pflanzen besser bei einem leicht sauren pH-Wert gedeihen. Gewächse wie Kräuter oder Salat sind diesbezüglich pflegeleicht. Doch vor allem anspruchsvollere Pflanzen wie Paprika, Zucchini oder Tomaten reagieren empfindlich auf Unterschiede in der Nährstoffkomposition des Wassers. Dementsprechend aufwendig ist es bisher, ein breites Angebot an pflanzlichen Produkten in den Anlagen anzubauen.

Letzte Aktualisierung: 25. September 2023


Weitere Informationen

Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB): Aquakultur und Aquaponik


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