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Fleisch aus dem Labor – Ein Markt der Zukunft?

Fleischgenuss ohne Tierhaltung – mit künstlich erzeugtem Laborfleisch soll das bald möglich sein. Doch noch ist die Technologie nicht ausgereift.

Wissenschaftlerin bei der Arbeit im Forschungslabor
Viele Unternehmen forschen zurzeit intensiv an der Herstellung von biotechnologisch erzeugtem Fleisch.
Quelle: Morsa Images via Getty Images

Die herkömmliche Erzeugung von Hühner-, Schweine- und Rindfleisch gilt als klimaschädlich und ethisch zweifelhaft. Als Alternative wird deshalb seit einigen Jahren sogenanntes Clean Meat oder Good Meat gehandelt, das künstlich im Labor hergestellt wird.

Das Verfahren basiert auf einer Zellkultur, die unter Laborbedingungen außerhalb eines lebenden Organismus wächst. Dabei entstehen dünne Schichten, deren Masse Hackfleisch ähnelt. Schnitzel, Steaks oder andere Fleischstücke lassen sich bisher nicht aus Zellkulturen herstellen.

Die positive Bezeichnung als "Clean" oder "Good" Meat bezieht sich auf die besondere Art der Erzeugung, für die keine Tiere getötet werden müssen und die deutlich weniger Ressourcen benötigen soll als die traditionelle Tierhaltung. Tatsächlich kommt man derzeit aber auch bei der Herstellung von Laborfleisch nicht ohne tierische Bestandteile aus.

Tierische Stammzellen als Basis

Als Ausgangsstoff dienen teilungsfähige Stammzellen aus dem Muskelgewebe, die von lebenden Tieren mit einem kleinen chirurgischen Eingriff entnommen werden. Damit sich die Zellen teilen und wachsen, braucht man ein Trägergerüst, meist tierisches Kollagen, und ein komplexes Nährmedium, das unter anderem Nährstoffe, Fette, Proteine und Wachstumsfaktoren liefert.  

Zurzeit nutzt die Forschung zur Anzucht von Laborfleisch als Nährmedium meist ein Serum, das aus dem Blut ungeborener Kälber gewonnen wird. Muttertiere wie Föten müssen dafür getötet werden. Zu Beginn der Entwicklung brauchte man davon relativ große Mengen, um genügend Laborfleisch herzustellen. Das macht die Herstellung sehr teuer.

Der erste Burger mit Laborfleisch, den ein amerikanisches Unternehmen im Jahr 2013 vorstellte, kostete noch etwa 250.000 Euro. Um die Kosten zu senken, wird das künstlich hergestellte Fleisch häufig noch mit deutlich günstigeren pflanzlichen Bestandteilen gestreckt. Heute liegen die Herstellungskosten nach Angaben eines niederländischen Unternehmens bei etwa neun Euro pro Burger. Mit wettbewerbsfähigen Preisen rechnen Fachleute bis 2030.

Viel Forschung und hohe Investitionen

Rindfleisch - frisches rohes Steak
Größere Fleischstücke wie Steaks oder Schnitzel lassen sich noch nicht biotechnologisch herstellen.
Quelle: Magone via Getty Images

Das liegt auch daran, dass sich weltweit immer mehr Unternehmen mit der Herstellung von Fleisch aus dem Labor beschäftigen. Zudem fördern große Investoren, darunter auch die Fleischindustrie, die Forschung rund um die neue Technologie mit Millionensummen, vor allem in den USA und Israel.

Ob Laborfleisch die Probleme der konventionellen Fleischerzeugung und des Klimaschutzes löst, lässt sich derzeit noch nicht absehen. Solange für die Herstellung überwiegend Serum aus Kälberembryonen benötigt wird, ist auch diese Methode ethisch bedenklich.

Deshalb arbeitet die Forschung derzeit vor allem daran, das Kälberserum durch Nährmedien auf pflanzlicher Basis zu ersetzen. Ersten Biotech-Unternehmen ist es anscheinend gelungen, „tierfreie“ Kulturmedien herzustellen.

Bezüglich der Vorteile beim Energiebedarf und der Klimawirkung gibt es noch keine belastbaren Zahlen. Denn bisher wird Laborfleisch noch nicht in industriellen Mengen erzeugt, weshalb nur Berechnungen auf theoretischer Basis möglich sind. Das Umweltbundesamt (UBA) hat dazu die Ergebnisse verschiedener Studien zusammengefasst.

Danach geht die Forschung derzeit davon aus, dass für die Herstellung von Laborfleisch sogar mehr Energie benötigt wird als bei der herkömmlichen Fleischerzeugung, denn die Bioreaktoren müssen durchgängig auf rund 37 °C erwärmt werden. Kommen allerdings erneuerbare Energien zum Einsatz, verbessere sich die Treibhausgas-Bilanz der Energieversorgung im Vergleich zu Erzeugung von Hühner-, Schweine- und Rindfleisch um 17, 52 beziehungsweise 92 Prozent, schreibt transgen.de.

Keine eindeutigen Vorteile bei Klimagasen

Auch bei den Treibhausgasen zeichnen sich keine eindeutigen Vorteile für synthetisches Fleisch ab. Während es im Vergleich zu Rindfleisch deutlich besser abschneidet, entstehen bei herkömmlich erzeugtem Hühner- und Schweinefleisch wesentlich weniger Klimagase als beim Laborprozess. Da die Entwicklung bei der Erzeugung von Laborfleisch schnell voranschreitet und man den Energiebedarf einer Herstellung im großen Maßstab noch nicht eindeutig abschätzen kann, könnte sich die Energie- und Klimabilanz von künstlichem Fleisch aber noch verbessern.

Klare Vorteile bietet das Laborfleisch dagegen beim Flächenbedarf. Während für die Erzeugung von einem Kilogramm Fleisch im Bioreaktor 0,18 bis 0,77 Quadratmeter benötigt werden, geht man bei herkömmlich erzeugtem Hühnerfleisch von einem Flächenbedarf von bis zu 3,89 Quadratmetern aus.  Auch der Wasserverbrauch soll laut transgen.de durch Laborfleisch um 51 bis 96 Prozent reduziert werden – je nach Studienparametern.

Zum gesundheitlichen Wert von künstlich erzeugtem Fleisch gibt es derzeit keine belastbaren Studien. Jedoch gehen Fachleute davon aus, dass weniger Krankheiten von tierischen Lebensmitteln auf den Menschen übertragen werden, da die Anzucht der Kulturen im Labor weniger anfällig für Keime ist.

Tierarzt hält Spritze mit Antibiotika
Laborfleisch könnte dazu beitragen, das Risiko für die Entstehung multiresistenter Keime zu verringern.
Quelle: tomazl via Getty Images

Weniger Antibiotikaeinsatz

Als weiterer Vorteil werden mögliche Einsparungen von Antibiotika gesehen, deren Einsatz in der Tiermast weit verbreitet ist und als eine Ursache für die Entstehung multiresistenter Keime gilt.

Allerdings kommt man auch bei der Herstellung von Laborfleisch nicht ohne Antibiotika aus, da sich in den dafür genutzten Bio-Reaktoren Keime ebenfalls vermehren können.

Zulassung von Laborfleisch

Um Fleisch aus Zellkulturen verkaufen zu können, müssen die Hersteller eine Zulassung beantragen. Als weltweit erstes Land hat  2020 der Stadtstaat Singapur eine solche Zulassung erteilt. 2022 genehmigte auch die Lebensmittelbehörde der USA erste Produkte aus Zellkulturen.

In Europa fallen Lebensmittel aus Zell- und Gewebekulturen unter die sogenannte Novel-Food-Verordnung. Für eine Zulassung wird das Laborfleisch zahlreichen Tests unterzogen und geprüft, ob der Verzehr unbedenklich ist. Zudem muss auf rechtlicher Ebene geklärt werden, ob die Produkte aus dem Labor überhaupt als Fleisch gekennzeichnet werden dürfen. Bisher hat in der Europäischen Union noch kein Unternehmen einen Antrag auf Zulassung gestellt.

Letzte Aktualisierung: 17. Mai 2023


Weitere Informationen

Verbraucherzentrale: Clean Meat – Ist Laborfleisch die Zukunft?

Forum Bio- und Gentechnologie e.V.: Fleisch aus Zellkultur – High-Biotech statt Tierhaltung

Zelluläre Landwirtschaft: Kommen in Zukunft Fleisch und Milch aus dem Labor?

Umweltbundesamt (UBA): Fleisch der Zukunft (PDF)

Bundeszentrum für Ernährung (BZfE): Fleisch aus dem Labor


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