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Klima- und Naturschutz in der Landwirtschaft versus Ernährungssicherheit – kein unlösbares Problem

Studien zeigen, dass eine nachhaltigere Landwirtschaft durch moderaten Fleischverzicht und weniger Lebensmittelverschwendung möglich wäre.

Silomaisernte mit Häcksler
Weniger Futter vom Acker könnte der Schlüssel zu einer umwelt- und klimagerechteren Landwirtschaft sein.
Quelle: liorpt via Getty Images

Die Produktivität in der Landwirtschaft hat in den vergangenen 70 Jahren enorm zugenommen. Immer mehr Menschen können heute von einem Hektar Nutzfläche ernährt werden – mit hochwertigen und zugleich bezahlbaren Lebensmitteln.
Zu verdanken ist diese Entwicklung vor allem einer starken Mechanisierung und Spezialisierung. Aber auch Fortschritte in der Züchtung und Pflanzenschutzmittelproduktion konnten die Erträge im Pflanzenbau steigern. In der tierischen Erzeugung sind durch Zuchtfortschritte, erhöhten Kraftfuttereinsatz sowie intensive veterinärmedizinische Betreuung enorme Leistungssteigerungen erzielt worden.

Diese Intensivierung der Landwirtschaft hat jedoch auch ihren Preis. Sie hat dazu beigetragen, dass die Biodiversität in den Agrarlandschaften abgenommen hat, fruchtbare Ackerböden durch Erosion unwiederbringlich verloren gegangen sind und das Oberflächen- und Grundwasser in vielen Gebieten Deutschlands mit Nitrat belastet ist. Darüber hinaus trägt die Landwirtschaft nicht unerheblich zum Klimawandel bei. Und nicht zuletzt bedeuten alle diese Veränderungen auch Eischränkungen für die Landwirtschaft.

Forderungen für eine nachhaltigere Landwirtschaft

Heute ist man sich in Wissenschaft und Politik weitgehend einig, dass ein Umsteuern – hin zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft – nötig ist. Deswegen wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Forderungen aufgestellt, um die negativen Umwelt- und Klimaauswirkungen der Landwirtschaft zu verringern: auf EU-Ebene zum Beispiel in der Farm to Fork-Strategie des Green Deal oder in der EU-Biodiversitätsstrategie 2030. Vorschläge auf Bundesebene sind unter anderem im Klimaschutzprogramm 2023 sowie in der Nationalen Strategie zu genetischen Ressourcen für Ernährung, Landwirtschaft, Forst und Fischerei zu finden.

Gefordert wird zum Beispiel, dass ein Teil der landwirtschaftlichen Fläche aus der Produktion genommen wird, um dort in Form von Blühstreifen oder Hecken natürliche Lebensräume für Wildtiere und -pflanzen zu schaffen. Außerdem will man den Pflanzenschutzmittel- und Düngereinsatz deutlich reduzieren und den ökologischen Landbau weiter voranbringen.

Kritik: Forderungen kollidieren mit Ernährungssicherheit

Verschiedene Studien zeigen, dass sich solche Maßnahmen positiv für Klimaschutz und Biodiversität auswirken. Dennoch wird immer wieder kontrovers darüber diskutiert. So zum Beispiel aktuell in der Debatte über die verpflichtende Flächenstilllegung: Kritikerinnen und Kritiker argumentieren, dass es unverantwortlich sei, hierzulande landwirtschaftliche Flächen aus der Produktion zu nehmen, während in großen Teilen der Welt Hunger herrsche. Dadurch würden die weltweite Nahrungsmittelverknappung verstärkt und die Preise für Lebensmittel in die Höhe getrieben.

Verschiedene Hülsenfruchtarten nebeneinander
Eine Ernährung mit weniger Fleisch, dafür aber mehr Hülsenfrüchten, würde Studien zufolge eine umwelt- und klimaschonende Landwirtschaft möglich machen.
Quelle: peangdao/stock.adobe.com

Ähnliche Argumente werden auch gegen eine Ausweitung des Öko-Landbaus angeführt: Dieser sei zwar natur- und klimaverträglicher, benötige aber wegen der deutlich niedrigeren Erträge mehr Fläche. Diese Fläche sei weltweit jedoch begrenzt oder nehme durch Erosion und Versiegelung sogar ab. Wolle man mit Öko-Landbau weltweite Ernährungssicherheit erreichen, müsse man dafür weitere natürliche Lebensräume wie zum Beispiel Regenwälder opfern, was letztlich weder dem Klima- noch dem Artenschutz dienlich sei, argumentiert eine Studie der Uni Göttingen aus dem Jahr 2018.

NABU-Studie setzt auf Veränderung des Konsumverhaltens

Will man die Landwirtschaft umwelt- und klimaschonender machen, ohne die Ernährungssicherheit aufs Spiel zu setzen, kommt man an einer Veränderung der Ernährungsgewohnheiten nicht vorbei, argumentiert der Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) und macht in einer 2023 veröffentlichten Studie konkrete Vorschläge dazu.

Die Kernforderung der Studie ist: den Fleischkonsum um die Hälfte reduzieren. Zur Begründung schreibt der NABU, dass eine tierische Ernährung nur halb so flächeneffizient sei wie eine, die pflanzenbetont ist. Oder anders ausgedrückt: ein Hektar an pflanzlicher Nahrung ersetzt zwei Hektar Futter, das später als Fleisch, Milch oder Eier auf unserem Teller landet.

Als Konsequenz aus dieser Konsumveränderung werden laut NABU auf den Ackerflächen dann hauptsächlich nur noch Lebensmittel für die menschliche Ernährung angebaut und an Tiere wird vorwiegend nur noch das verfüttert, was der Mensch nicht essen kann – zum Beispiel Gras oder Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie wie Schrote aus der Ölerzeugung.

Berechnungen des NABU zufolge könnten wir in diesem Fall zehn Prozent der Landwirtschaftsflächen für Biodiversitätszwecke (Brachen) nutzen, den Pflanzenschutz und Düngemitteleinsatz halbieren und den Öko-Landbau auf 30 Prozent der Fläche ausweiten. Außerdem wäre die Wiedervernässung oder nasse Bewirtschaftung von rund 800.000 Hektar Moorfläche möglich.

Was den Fleischverzicht betrifft, blieben jeder Bürgerin und jedem Bürger laut NABU im Schnitt noch rund 400 Gramm Fleisch pro Woche (siehe Infokasten). Das ist mehr als die Deutsche Gesellschaft für Ernährung für eine gesunde Ernährung empfiehlt.

Wie kommt der NABU auf 400 Gramm Fleisch pro Kopf und Woche?

Laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung lag der Pro-Kopf-Verzehr im Jahr 2021 bei rund 55 Kilogramm Fleisch. In diese Zahl eingeschlossen sind allerdings auch die Verluste auf Haushaltsebene.

Rechnet man diese verdorbenen und weggeworfenen Lebensmittel raus, kommt man auf eine tatsächlich gegessene Menge von rund 42 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Halbiert man diese 42 Kilogramm, wie vom NABU gefordert, kommt man auf 21 Kilogramm. Auf eine Woche heruntergerechnet sind das 400 Gramm.

Würde man die Verluste auf Haushaltsebene verringern, wäre theoretisch sogar noch mehr Fleisch zum Verzehr möglich.

Lebensmittelverschwendung spielt ebenfalls eine bedeutende Rolle

Einen ähnlichen Ansatz wie der NABU verfolgte das Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) 2017 in einer wissenschaftlichen Studie. Darin haben die Forschenden mit verschiedenen Modellszenarien errechnet, ob sich die Welt theoretisch allein mit Nahrungsmitteln aus ökologischer Landwirtschaft ernähren ließe. Anders als in der NABU-Studie hat das FiBL neben dem Fleischkonsum aber noch die Lebensmittelverschwendung als Faktor berücksichtigt.

Die FiBL-Studie zeigt: Wenn man den Anbau von Futter auf Ackerflächen und die Verschwendung von Lebensmitteln um jeweils die Hälfte reduzieren würde, könnte man die Landwirtschaft weltweit zu 60 Prozent auf Bio umstellen, ohne dafür mehr Land zu verbrauchen. Für uns Menschen hätte dies laut FiBL zur Konsequenz, dass der Konsum tierischer Produkte um rund ein Drittel eingeschränkt würde.

Würde man auf den Ackerflächen weltweit gar keine Futtermittel mehr anbauen und gleichzeitig die Lebensmittelverschwendung halbieren, wäre laut FiBL-Studie sogar die vollständige Umstellung möglich – also 100 Prozent Öko-Landbau weltweit.

Maispflanzen, in Hintergrund eine Biogasanlage
Fläche, auf der Mais für die Biogaserzeugung wächst, könnte für die Erzeugung von Nahrungsmitteln verwendet werden.
Quelle: istock / Aminaflora

Weniger Fläche für Bioenergiepflanzen

Andere Ansätze beziehen den Faktor Bioenergieanbau mit ein. Das Argument lautet: Wenn wir weniger Fläche für den Anbau von Bioenergiepflanzen wie Mais (für Biogas) oder Raps (für Biokraftstoffe) verbrauchen, könnten wir diese für den Anbau von Lebensmitteln verwenden.

Allein in Deutschland werden auf rund 2,3 Millionen Hektar – das sind rund 20 Prozent der deutschen Ackerfläche – Pflanzen für die Bioenergieerzeugung angebaut.

Die Energie, die durch den Verzicht auf Energiepflanzen verloren ginge, könnte laut Umweltbundesamt (UBA) um ein Vielfaches effizienter aus Wind- und Solarenergie gewonnen werden. Rechnungen des UBA zu Folge kann pro Hektar im Jahr rund 40-mal mehr Strom durch Photovoltaik-Neuanlagen (etwa 800 Megawattstunden) erzeugt werden als beispielsweise beim Maiseinsatz in Biogasanlagen (im Mittel 20 Megawattstunden). Zudem könnten Wind- und Solarenergie auch auf bebauten oder unfruchtbaren Böden genutzt werden.

Züchtung soll weitere Fortschritte bringen

Zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind sich einig, dass besonders die Neuen genomischen Techniken (NGT) einen wichtigen Beitrag für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft leisten können. Mit NGT könne man heute sehr viel schneller als mit herkömmlichen Züchtungsmethoden Pflanzen züchten, die zum Beispiel resistenter gegen Pflanzenkrankheiten und Schädlinge sind und somit dazu beitragen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.

Vor allem aber ließen sich mit NGT die Erträge steigern beziehungsweise gegen die Klimawandelfolgen absichern. Das hätte zur Folge, dass man bei wachsender Weltbevölkerung insgesamt weniger Fläche benötige und damit der zunehmenden Landnahme, zum Beispiel durch Waldrodung oder Urbarmachung von Mooren, entgegenwirke.

Letzte Aktualisierung: 13. März 2024


Weitere Informationen

NABU: Wie wir unsere Ernährung sichern und gleichzeitig die Natur und das Klima schützen können, 2023 (PDF)

FiBL: Strategies for feeding the world more sustainably with organic agriculture, 2017

Meemken, Qaim: Organic Agriculture, Food Security, and the Environment, 2018

Uni Bonn: Gentechnik kann sich positiv aufs Klima auswirken, 2022


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