Der Streit um Glyphosat – Worum geht es?
Hier finden Sie Antworten auf häufig gestellte Fragen rund um den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat.
Seit vielen Jahren schon wird auf nationaler und auf EU-Ebene über ein Verbot des Unkrautvernichters Glyphosat diskutiert. Im November 2023 hat die EU-Kommission nun eine weitere Verlängerung der Zulassung um zehn Jahre bis 2033 beschlossen.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium ist mit dieser Entscheidung nicht einverstanden. Geplant war eigentlich, den umstrittenen Unkrautvernichter ab 2024 zu verbieten. Dazu wird es jedoch nicht mehr kommen. Deutschland hält aber an den bereits 2019 eingeführten Anwendungsbeschränkungen fest.
Was ist Glyphosat?
Glyphosat ist der chemische Hauptbestandteil einer Reihe von Unkrautvernichtungsmittel. Diese Mittel, die man in der Fachwelt als Herbizide bezeichnet, werden überwiegend in der Landwirtschaft zur Beseitigung von Unkraut eingesetzt. Das Besondere an Glyphosat ist: Es ist ein sogenanntes Totalherbizid und in seiner Wirkungsweise einzigartig. Im Gegensatz zu den meisten anderen Herbiziden, die nur gegen spezielle Pflanzen oder Pflanzengruppen wirken, tötet Glyphosat alle grünen Pflanzen ab – egal ob Unkraut oder Kulturpflanze. Das bekannteste Unkrautvernichtungsmittel mit dem Wirkstoff Glyphosat ist Roundup.
Wer hat Glyphosat entdeckt?
Glyphosat wurde 1950 das erste Mal von einem Schweizer Unternehmen entwickelt. Zu diesem Zeitpunkt wusste man noch nichts von der unkrautvernichtenden Wirkung dieser chemischen Verbindung. Erst die Firma Monsanto entdeckte Ende der 1960er Jahre, dass Glyphosat wirksam gegen Unkraut einsetzbar ist und entwickelte daraufhin das Unkrautvernichtungsmittel Roundup, das 1974 erstmals zugelassen wurde.
Von da ab entwickelte sich der Wirkstoff Glyphosat zum weltweit bedeutendsten Inhaltsstoff von Herbiziden. Im Jahr 2000 lief das Patent auf die Substanz aus. Seitdem werden glyphosathaltige Unkrautvernichter auch von anderen Herstellern vertrieben. Monsanto ist aber nach wie vor Marktführer.
Gentech-Pflanzen benötigen das meiste Glyphosat
Weltweit wird der größte Teil des verwendeten Glyphosats auf Feldern versprüht, auf denen gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, die gegen Glyphosat resistent sind. Diesen Kulturpflanzen kann das Totalherbizid nichts anhaben. Das Unkraut dazwischen wird jedoch wirksam bekämpft. Da glyphosatresistente Nutzpflanzen in Deutschland nicht zugelassen sind, spielt diese Form der Anwendung hierzulande keine Rolle.
Wie wirkt Glyphosat?
Glyphosathaltige Herbizide werden in flüssiger Form mit einer Pflanzenschutzspritze über die Pflanzen verteilt. Über die grünen Blätter gelangt Glyphosat ins Innere der Pflanze und verteilt sich dort in alle Pflanzenteile. Nach dem Eindringen in die Pflanzenzelle greift es in den Stoffwechsel der Pflanze ein: Es blockiert ein Enzym, das die Pflanze zur Herstellung wichtiger Aminosäuren braucht. Ohne diese Aminosäuren kann die Pflanze nicht leben und stirbt innerhalb weniger Tage ab. Da Glyphosat auch in die unterirdischen Pflanzenteile transportiert wird, lassen sich damit auch ausdauernde Unkräuter bekämpfen.
Wo wird Glyphosat typischerweise eingesetzt?
Die Unkrautbekämpfung mit Glyphosat ist nicht nur besonders effektiv, sondern auch preisgünstig und arbeitssparend. Glyphosathaltige Herbizide werden meist im Ackerbau verwendet, um die Felder unkrautfrei zu machen. Auf diese Weise sparen sich Landwirtinnen und Landwirte die aufwändige mechanische Unkrautbeseitigung.
Neben dem Ackerbau wird Glyphosat auch im Obst- und Weinbau verwendet, um den Boden in der Umgebung der Stammbasis unkrautfrei zu halten. Im Grünland wird es in Einzelfällen angewendet, um einzelne ausdauernde Unkrautarten zu bekämpfen oder stark verunkrautete Wiesen und Weiden komplett zu erneuern.
Die Deutsche Bahn nutzte Glyphosat in der Vergangenheit, um das deutsche Schienennetz von störender Vegetation zu befreien, verzichtet aber seit 2023 auf den Einsatz dieses Unkrautvernichters.
Auch Freizeitgärtnerinnen und Freizeitgärtner konnten bis Mitte 2021 noch glyphosathaltige Produkte kaufen, um damit Unkraut im Garten zu bekämpfen. Seit August 2021 ist die Anwendung von Glyphosat im Privatgarten und auf öffentlichen Flächen jedoch verboten.
Wie hat sich der Glyphosateinsatz in den letzten Jahren entwickelt?
Glyphosat ist das mit Abstand am meisten verwendete Pflanzenschutzmittel. Sein Einsatz hat sich weltweit zwischen 1995 und 2014 mehr als verzwölffacht. Etwa 826.000 Tonnen Glyphosat wurden 2014 weltweit ausgebracht.
In Deutschland lag der jährliche Glyphosatverbrauch 2023 bei 2.348 Tonnen, ein Jahr zuvor bei etwa 3.914 Tonnen. Der überwiegende Teil davon entfällt auf die Landwirtschaft.
Warum wird über den Einsatz von Glyphosat so erbittert gestritten?
Seit mehreren Jahren wird über die möglichen Risiken des Unkrautvernichters Glyphosat debattiert. Kontrovers diskutiert wird in diesem Zusammenhang vor allem die Frage, ob Glyphosat gefährlich für die Gesundheit ist.
Glyphosat: Eine Gefahr für den Menschen?
Spätestens seit Glyphosat-Rückstände in Lebensmitteln wie Bier, Getreide, Milch und sogar im Urin und in der Muttermilch nachgewiesen wurden, ist die Verunsicherung in der Bevölkerung groß. Vollends entbrannt ist die öffentliche Debatte über den Wirkstoff als Wissenschaftler der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) den Wirkstoff infolge einer eigenen Studie als "wahrscheinlich krebserregend" einstuften.
Die IARC-Studie wurde darauf von verschiedenen anderen wissenschaftlichen Einrichtungen und Gremien geprüft, unter anderem von Pestizid-Experten der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Welternährungsorganisation FAO, vom deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), von der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) und der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA). Einige dieser Institutionen prüften darüber hinaus zahlreiche andere Studien, die im Zusammenhang mit dem Wirkstoff stehen. Sie alle kamen zu dem Schluss, dass nach derzeitigem Stand der Wissenschaft bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung kein Risiko für Krebsentstehung oder Erbgutveränderungen durch Glyphosat für den Menschen zu erwarten ist. Auch die Bedenken über die Glyphosatfunde in Lebensmitteln, Muttermilch und Urin konnten entkräftet werden. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat dazu eine Veröffentlichung herausgegeben, die auf der Internetseite des BfR heruntergeladen werden kann:
Fragen und Antworten zur Bewertung des gesundheitlichen Risikos von Glyphosat, BfR
2023 hat die EFSA eine erneute wissenschaftliche Risikobewertung von Glyphosat vorgelegt. Auch bei dieser Bewertung konnte die EU-Behörde keine kritischen Bereiche für die Gesundheit von Mensch und Tier identifizieren, die Anlass zur Sorge geben.
Schadet Glyphosat der Umwelt?
Nach Ansicht von Bundeslandwirtschaftsministerium, Umweltbundesamt, Umweltverbänden und zahlreichen Wissenschaftlern sind dagegen die negativen Auswirkungen des Unkrautvernichters auf die Umwelt unstrittig. Als Totalherbizid tötet Glyphosat flächendeckend alle Wildpflanzen ab, die auf dem Acker wachsen und gefährdet damit die biologische Vielfalt. Und zwar nicht nur die pflanzliche, sondern auch die der Tiere, die an diese Ackerlebensräume gebunden sind – das sind insbesondere Insekten und Vögel. Zudem steht der Wirkstoff im Verdacht, Bodenorganismen und die Bodenfruchtbarkeit zu beeinträchtigen. Glyphosat ist zwar nicht der einzige herbizide Wirkstoff mit einer schädlichen Wirkung auf die biologische Vielfalt. Er nimmt aber eine Sonderrolle ein, weil er der mit Abstand am häufigsten verwendete Wirkstoff ist.
Gibt es (chemische) Alternativen zu Glyphosat?
Ein Verbot von Glyphosat würde zu einem stärkeren Einsatz von Herbiziden mit anderen Wirkstoffen führen. Diese sind häufig schädlicher für die Umwelt. Das Julius Kühn-Institut (JKI) hat in einer Erhebung unter Landwirten herausgefunden, dass nicht für alle Anwendungsbereiche adäquate Ersatzprodukte verfügbar sind: Für die Hauptanwendungsbereiche im Ackerbau konnte das JKI überhaupt keine chemischen Alternativen identifizieren. Das gleiche gilt für den Kernobstanbau (beispielsweise Äpfel und Birnen). Wenn es Alternativen gibt, sind diese in der Regel schlechter in der Wirkung und/oder schädlicher für die Umwelt.
Alternative Pflug
Landwirtinnen und Landwirte müssten bei einem Verbot von Glyphosat also zwangsläufig wieder mehr pflügen. Dies war in Zeiten vor Glyphosat das Mittel der Wahl und funktioniert auch heute noch, wie sich im Öko-Landbau zeigt, wo der Einsatz von Herbiziden generell verboten ist. Konventionelle Landwirtinnen und Landwirte befürchten dadurch allerdings steigende Kosten. Angaben des JKI zufolge ließe sich jedoch auch im konventionellen Ackerbau das Unkraut vergleichsweise gut mit dem Pflug beseitigen, ohne dass zwangsläufig höhere Kosten entstehen müssen. Allerdings nur dann, wenn alle weiteren Bedingungen hinsichtlich Boden und Witterung stimmen.
Für den Obst- und Weinbau gilt das nicht. Hier würde eine mechanische Unkrautbeseitigung zu erheblich höheren Kosten führen, so das JKI. Gemessen an der jährlichen Absatzmenge von Glyphosat, wäre das Einsparpotenzial im Wein- und Apfelanbau aber auch nur sehr gering, da hier gerade mal 10 bis 15 Prozent der Gesamtmenge verbraucht werden.
Pflügen: nicht in jedem Fall die bessere Wahl für Umwelt und Klima
Nicht-chemische Alternativen wie der Pflug müssen nach Angabe des JKI aber nicht immer automatisch besser für die Umwelt sein. Insbesondere in Hanglagen, wo die Gefahr des Bodenabtrags durch Wind und Wasser besonders groß ist, können die Nachteile des Pflugeinsatzes in der Summe größer sein, als bei der pfluglosen Bearbeitung mit Glyphosateinsatz. Durch das Pflügen wird außerdem die natürliche Struktur des Bodens gestört. Um dies zu verhindern, strebt auch die Öko-Landwirtschaft seit Jahren danach, den Pflug mehr und mehr durch pfluglose Verfahren zu ersetzen – allerdings ohne Glyphosat oder andere chemische Unkrautvernichter.
Wie geht es weiter?
Bei einer erneuten umfangreichen Risikobewertung, deren Ergebnisse im Sommer 2023 veröffentlichtet wurden, konnte die EFSA keine kritischen Problembereiche in Bezug auf Glyphosat identifizieren. Auf Basis dieser Bewertung hatte die EU-Kommission den EU-Mitgliedstaaten vorgeschlagen, die Zulassung für Glyphosat um zehn weitere Jahre zu verlängern. Die letztendliche Entscheidung über die Wiederzulassung von Pflanzenschutzmitteln obliegt in der EU den Mitgliedsstaaten. Nachdem die Mitgliedsstaaten jedoch auch nach zweimaliger Abstimmung keine nötige Mehrheit für oder gegen eine Wiederzulassung zustande gebracht haben, musste die EU-Kommission schließlich darüber entscheiden: Diese gab im November 2023 offiziell die Wiederzulassung von Glyphosat bis 2033 bekannt.
Die Bundesregierung hatte 2019 beschlossen, die Anwendung von Glyphosat in Deutschland bis Ende 2023 zu beenden. Seit Mitte 2021 galten auf Grundlage einer Minderungsstrategie bereits deutliche Einschränkungen für den Einsatz glyphosathaltiger Mittel.
Bei der Abstimmung der Mitgliedsstaaten über die Wiederzulassung hatte Deutschland sich enthalten und steht einer Wiederzulassung von Glyphosat auch weiterhin kritisch gegenüber. Ein Komplettverbot, wie ursprünglich geplant, wird es nicht mehr geben. Deutschland hält aber weiter an den seit 2019 geltenden Anwendungsbeschränkungen fest.
Letzte Aktualisierung: 7. November 2024
Weitere Informationen:
Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL): Fragen und Antworten zu Glyphosat
Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Glyphosat
Bundesumweltministerium (BMUV): Aktionsprogramm Insektenschutz