Warum bauen wir in Deutschland so wenig Obst und Gemüse an?
Letzte Aktualisierung: 14. August 2025
In Deutschland wird deutlich weniger Obst und Gemüse angebaut, als verzehrt. Große Teile werden importiert. Die Gründe sind vielfältig.

Quelle: Bim via Gettyimages
In Kürze
- In Deutschland wird wesentlich weniger Obst und Gemüse angebaut als verbraucht.
- Importe kommen aus südlicheren Ländern, aber zum großen Teil auch aus den Niederlanden.
- Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine große Rolle spielen das Klima, die Bevölkerungsdichte, ein hohes Lohnniveau, aber auch weitere strukturelle Unterschiede zu anderen Ländern.
- Die Bundesregierung hat im aktuellen Koalitionsvertrag festgehalten, dass der Selbstversorgungsgrad mit Obst und Gemüse erhöht werden soll.
- Verbrauchende können inländische Obst- und Gemüsebetriebe unterstützen, indem sie beim Einkauf auf die Herkunft achten und Saisonzeiten berücksichtigen.
Die Deutschen essen zu wenig Obst und Gemüse. Nach Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, sollen Erwachsene täglich 250 Gramm Obst und 400 Gramm Gemüse essen. Obwohl der tatsächliche Verbrauch darunter liegt, reicht der Anbau hierzulande nicht aus, um den Bedarf zu decken. Woran liegt das? Und warum wird in anderen Ländern deutlich mehr angebaut?
Geringer Selbstversorgungsgrad – das meiste Obst und Gemüse wird importiert
Der Selbstversorgungsgrad gibt an, in welchem Umfang die heimische Landwirtschaft den Bedarf in Deutschland decken kann. Er liegt für Obst nur bei 20 Prozent, für Gemüse bei 37 Prozent. Die Anbaufläche für Gemüse liegt bei 126.800 Hektar, die für Obst bei 72.000 Hektar.
Entsprechend hoch sind die Mengen, die aus anderen Ländern importiert werden müssen. Dabei werden nicht nur Obst- und Gemüsearten eingeführt, die bei uns nicht wachsen könnten, sondern auch Äpfel, Erdbeeren, Zwiebeln und Möhren. Der Selbstversorgungsgrad fällt für einzelne Obst- und Gemüsekulturen sehr unterschiedlich aus.

Das hiesige Klima ist nicht für alle Obst- und Gemüsearten geeignet
Deutschland liegt in einer gemäßigten Klimazone. Sie zeichnet sich durch moderate Temperaturen und deutliche Jahreszeiten aus. Die relativ gleichmäßigen Temperaturen und Niederschläge sind für den Anbau von Obst und Gemüse eigentlich gut. Für viele Obst- und Gemüsearten sind aber die sommerliche Vegetationsperiode zu kurz und die Temperaturen zu niedrig. Gemüsekulturen, die in unserem Klima gut wachsen, sind zum Beispiel die verschiedenen Kohlarten, Möhren und Rettich.
An Obst wachsen hierzulande vor allem Äpfel, aber auch Birnen, Kirschen und Erdbeeren. Für Tomaten und Paprika ist es nur in einer vergleichsweise kurzen Zeitspanne im Sommer warm genug. Ihre Anbauzeit kann aber mit Gewächshäusern oder Folientunneln verlängert werden. Südfrüchten – wie Orangen oder Zitronen – ist es hierzulande zu kalt, Pfirsiche und Aprikosen überstehen den Winter nur in milden Regionen Süddeutschlands.
In Deutschland sind die Produktionskosten besonders hoch
Obst und Gemüse erfordern sehr viel Handarbeit. Durch die relativ kleinen Anbaumengen – im Vergleich zu Mais oder Getreide – lohnt es sich oft nicht, hochspezialisierte Maschinen zu entwickeln, die menschliche Arbeit ersetzen könnten. Zwar gibt es auch für verschiedene Gemüsekulturen Erntemaschinen. Sogenannte “Vollerntemaschinen”, die alle notwendigen Arbeitsschritte bei der Ernte übernehmen, gibt es zum Beispiel für verschiedene Wurzelgemüse und Salat. Aufgrund der geringeren Anbaumengen sind ihre Entwicklungskosten jedoch vergleichsweise hoch. Bei anderen Gemüsekulturen, wie Brokkoli oder Blumenkohl, können nur einzelne Arbeitsschritte von Maschinen übernommen werden.
Viele Obst- und Gemüsearten sind jedoch so empfindlich, dass sie von Hand gepflückt werden müssen. Das Lohnniveau ist aber in Deutschland hoch, besonders im Vergleich zu südlichen Ländern wie Spanien oder Marokko. So beträgt zum Beispiel der Mindestlohn in Marokko nur ein Zehntel des in Deutschland gültigen Mindestlohnes. Zudem ist der Arbeitsbedarf über das Jahr sehr unterschiedlich verteilt. Während der Ernte fällt in kurzer Zeit sehr viel Arbeit an, die von Saisonarbeitskräften übernommen werden muss. Der bürokratische Aufwand dafür und der steigende Mindestlohn sind für Gemüse- und Obstbetriebe eine Herausforderung.
Auch die Energiekosten sind in Deutschland höher als in anderen Ländern. Gerade der Anbau im Gewächshaus und die Lagerung von Obst- und Gemüse verbrauchen viel Energie.

Quelle: GavinD via Gettyimages
Wohnungen und Gewerbe konkurrieren mit der Landwirtschaft um die Flächen
Viele Böden in Deutschland sind sehr fruchtbar und eignen sich besonders gut für den Anbau von Obst und Gemüse. Doch in dem dicht besiedelten Land geraten diese wertvollen Flächen zunehmend unter Druck – vor allem durch die Ausbreitung von Wohn- und Gewerbegebieten. Mit der entsprechenden Bebauung ist ein Grundstück wesentlich rentabler als es durch die landwirtschaftliche Nutzung jemals sein kann.
Zwar ist die Umwandlung von landwirtschaftlichen Flächen zu Bauland gesetzlich reglementiert, durch den zunehmenden Bedarf werden aber dennoch immer wieder auch Grundstücke mit fruchtbarem Boden in Bauland umgewidmet. Das Thünen-Institut rechnet damit, dass bis 2030 300.000 Hektar Landwirtschaftsfläche für andere Nutzungszwecke in Anspruch genommen werden. Das entspricht mehr als 109 Hektar – also etwa 153 Fußballfeldern – pro Tag.
Mächtiger Lebensmitteleinzelhandel und günstige Importe
Obst und Gemüse wird vor allem über Discounter und Supermärkte vertrieben. Diese gehören meist wenigen großen Konzernen, die durch ihre hohen Abnahmemengen eine große Marktmacht besitzen. Sie können Preise und Konditionen diktieren, die für die Betriebe nur schwer zu erfüllen sind.
Importländer haben oft andere Rahmenbedingungen, zum Beispiel in Bezug auf Klima, Lohnniveau und Umweltauflagen, und können daher große Mengen günstiger anbieten. Das kann sogar dazu führen, dass der Lebensmittelhandel marktreifes Obst oder Gemüse aus Deutschland nicht zu kostendeckenden Preisen abnimmt und die Pflanzen vernichtet werden, weil sich die Ernte nicht mehr lohnt.

Quelle: Bloomberg Creative via Gettyimages
Die Niederlande setzen auf Spezialisierung und Technologie
Zwar kommen die meisten Obst- und Gemüseimporte aus Spanien, das durch ein warmes Klima und niedrige Lohnkosten begünstigt ist. An zweiter Stelle folgen aber Importe aus den Niederlanden, wo das Klima vergleichbar und der Mindestlohn sogar etwas höher ist.
Der Hauptunterschied zwischen dem deutschem und dem niederländischen Gemüsebau liegt im Grad der Technologisierung. Niederländische Gemüsegärtnereien sind hochspezialisiert und produzieren meist nur wenige Kulturen, diese aber in sehr großer Stückzahl. Der Anbau erfolgt mit weitreichend automatisierten Abläufen in modernen Gewächshäusern. Zudem sind niederländische Gemüsegärtnereien sowie Forschung, Handel und Logistik räumlich konzentriert und können dadurch Synergien nutzen.
Für den Obstbau gelten diese Vorteile nur zum Teil, da Obst vor allem im Freiland angebaut wird und die Abläufe weniger leicht automatisiert werden können. Beim Anbau von Äpfeln liegt Deutschland mit 33.000 Hektar im Vergleich zu den Niederlanden mit 5.220 Hektar vorn.

Quelle: Andrey Danilovich via Gettyimages
Ein weiterer Faktor ist die Forschung. Die niederländische Universität Wageningen gilt als eine der weltweit führenden Universitäten für Agarwissenschaften, so dass die Betriebe direkt von den neuesten Forschungsergebnissen profitieren und sehr gut ausgebildete Arbeitskräfte gewinnen können. In Deutschland ist dagegen die Anzahl an gartenbauwissenschaftlichen Lehrstühlen stark zurückgegangen.
Auch in der Förderpolitik unterscheiden sich beide Länder deutlich. Während die Niederlande die Schwerpunkte insbesondere auf Innovation und Technologisierung legen, ist die Agrarförderung in Deutschland hauptsächlich flächenbezogen. Davon profitieren Obst- und Gemüsebetriebe weniger als andere landwirtschaftliche Unternehmen, da sie wegen der arbeitsintensiven Bewirtschaftung meist deutlich kleinere Flächen bebauen.
Was unternimmt die Politik, um den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen?
Der Selbstversorgungsgrad mit Obst und Gemüse wird im Koalitionsvertrag im Kapitel “Ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernährung, Umwelt” wörtlich genannt: Zitat: “Den Selbstversorgungsgrad mit Obst und Gemüse wollen wir erhöhen und dafür das ‘Maßnahmenpaket Zukunft Gartenbau’ mit konkreten Schritten umsetzen.”
Im besagten Maßnahmenpaket finden sich zum Beispiel Vorhaben zur Nachhaltigkeitsbewertung gartenbaulicher Produkte, zur Erneuerung der Richtlinien zur integrierten Produktion und die Förderung von Modell- und Demonstrationsvorhaben für Freilandgemüse. Diese Maßnahmen zielen zwar nicht direkt auf die Erhöhung des Selbstversorgungsgrades, unterstützen aber die obst- und gemüseproduzierenden Betriebe.
Was kann ich selbst tun, um den Selbstversorgungsgrad zu erhöhen?
Je höher die Nachfrage nach inländischem Obst- und Gemüse ist, umso höher ist der Anreiz für heimische Betriebe, ihre Produktion zu erweitern. Verbrauchende können dies unterstützen, indem sie zum Beispiel direkt im Betrieb oder im Hofladen einkaufen. Denn so verdienen Landwirtinnen und Landwirte mehr Geld, als wenn sie ihr Obst und Gemüse an den Großhandel verkaufen.
Aber auch im Supermarkt lohnt sich ein Blick auf das Kleingedruckte: Das Ursprungsland ist auf jeder Packung oder am Preisschild angegeben. Außerdem kann man darauf achten, Obst und Gemüse möglichst saisonal einzukaufen. Also zu den Zeiten, in denen es auch hierzulande geerntet werden kann. Eine Übersicht, welches Obst- und Gemüse zu welcher Zeit ein hohes Angebot hat, zeigt der Saisonkalender des BZfE.